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Der slowenische Staatssekretär Bostjan Sefic eilte im Zuge der Schließung der Balkanroute vor einem Jahr von Termin zu Termin.

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Grenzübergang in der Nähe von Idomeni im August 2016.

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STANDARD: Slowenien hat gerade ein neues Gesetz eingeführt, das unter extremem Migrationsdruck die Rückkehr von Migranten in das Land, aus dem sie gekommen sind, ermöglicht.

Šefic: Slowenien ist ein sehr guter Beschützer der Schengen-Grenze. 2016 gab es nur 76 illegale Grenzübertritte zwischen Slowenien und Österreich. Doch die Binnengrenzkontrolle zwischen Österreich und Slowenien plagt uns. Denn wir sehen überhaupt keinen Grund für diese.

STANDARD: Wenn man die Grenze bei Šentilj/Spielfeld überquert, gibt es aber ohnehin kaum Grenzkontrollen.

Šefic: Aber dass es diese überhaupt noch gibt, ist aus wirtschaftlicher und politischer Sicht ein falsches Zeichen!

STANDARD: Wie war die Zusammenarbeit zwischen den Ländern auf der Balkanroute, als der Korridor noch offen war?

Šefic: Leider haben in der ersten Periode im September 2015 einige Länder die Situation noch nicht ganz verstanden. Dies geschah zum Beispiel an der slowenisch-kroatischen Grenze, als ein Strom von Migranten diese unkontrolliert überquerte. Aus diesem Grund haben im Oktober 2015 unser Präsident Borut Pahor und Ministerpräsident Miro Cerar die Initiative ergriffen, dass sich alle beteiligten Staaten in Brüssel treffen. Bis Ende 2015 wurde das System dann stabilisiert.

STANDARD: Wie kam es zur Schließung der Route?

Šefic: Alle Länder auf der Route waren schwer belastet. Und die Länder nördlich von uns machten deutlich, dass sie keine zusätzlichen Migranten mehr hereinlassen können. Diese Signale kamen aus Deutschland, Schweden, Dänemark und Österreich. Es wurde deutlich, dass etwas passieren müsse und das funktionierende System nicht ewig bestehen könne. Unser Innenministerium kam nach einer Einschätzung der Lage zu der Erkenntnis, dass wir handeln müssen. Deshalb haben wir Premier Cerar vorgeschlagen, zu versuchen, die Migrationsroute allmählich zu schließen. Aus diesem Grund hat Dr. Cerar am 18. Jänner 2016 ein Schreiben an die EU-Kommission, die Staats- und Regierungschefs der EU und die Länder entlang der Balkanroute geschickt, dass wir demgemäß handeln würden. Dies war der Beginn des Prozesses und führte zu einer besseren Einschätzung in den Sitzungen des Europäischen Rates.

STANDARD: Die Schließung des Balkanwegs geschah Schritt für Schritt. Zuerst konnten einige Gruppen nicht mehr passieren, dann gab es weitere Einschränkungen und tägliche Kontingente. Wer hatte diese Ideen?

Šefic: Wir sind grundsätzlich immer den Einschränkungen gefolgt, die von den Ländern nördlich von uns eingeführt wurden, weil die Grundvoraussetzung war, dass die Menschen, die nach Slowenien kamen, weiterreisten. Sie beabsichtigten nicht, Asyl in Slowenien zu beantragen. Heute ist das anders. Aber damals hatten sie es nicht auf ihrer mentalen Karte. Natürlich gab es einige Missverständnisse, manchmal durch einige Ankündigungen, die von den nördlichen Ländern gemacht wurden – etwa von Österreich.

STANDARD: Zum Beispiel?

Šefic: An einem Punkt hat die Republik Österreich die Einreise bestimmter Gruppen verhindert. Zum Beispiel gab es Migranten aus Afghanistan, die offen zugaben, dass sie nicht da seien, weil sie verfolgt wurden, sondern weil sie wirtschaftliche Gründe hätten, in die EU zu kommen. Diese Gruppen wurden von Österreich zurück zu uns und dann von uns nach Kroatien usw. zurückgeschickt. Aber das war nie eine offizielle Regelung.

STANDARD: Was war der Hauptzweck des Treffens der Polizeichefs aus Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien am 18. Februar 2016 in Zagreb?

Šefic: Der Grundgedanke war natürlich, dass die Route zwischen der griechischen und der mazedonischen Grenze geschlossen werden sollte. Und das musste natürlich so geschehen, dass Mazedonien dabei geholfen wird und eine ordnungsgemäße Kontrolle geschaffen wird und dass auch Griechenland mit Material und Ressourcen unterstützt wird.

STANDARD: Was war dabei die Rolle von Slowenien?

Šefic: Natürlich war die Position Sloweniens eine besondere. Slowenien hatte immer gute Beziehungen zu allen Ländern, die früher Teil Jugoslawiens waren, einschließlich Mazedonien. Und es gab schon immer eine intensive Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit. Es ist ein zusätzliches Glück, dass wir immer gute Beziehungen zu Österreich gehabt haben. Slowenien fungierte in der Tat als Bindeglied zwischen all diesen Ländern.

STANDARD: Wer hat alle Ideen zur Schließung der Route zusammengeführt?

Šefic: Alle Länder waren an der Ausarbeitung des Textes beteiligt. Der erste Entwurf reiste durch alle Länder, jedes Land hat etwas hinzugefügt, es war das Ergebnis einer Teamarbeit. Das erste Treffen der Minister und Polizeichefs fand in Slowenien statt, das zweite in Serbien und in Mazedonien. Es gab viele Sitzungen der Polizeichefs.

STANDARD: Wann haben diese Treffen begonnen?

Šefic: Ganz am Anfang, im September 2015. Leider hatten wir gleich im Oktober und November große Probleme mit Kroatien, weil unsere Ministerin Vesna Györkös Žnidar keine Verbindung zum kroatischen Innenminister herstellen konnte. Er antwortete nicht. Doch später, als der aktuelle Minister Orepić ernannt wurde, hat sich die Zusammenarbeit deutlich verbessert. Auch die Zusammenarbeit zwischen der slowenischen und der kroatischen Polizei war in einer Periode nicht sehr effektiv. Es war ganz anders mit Österreich – unsere Innenministerin stand in ständiger Verbindung mit ihrer Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner. Das war eine ausgezeichnete Zusammenarbeit.

STANDARD: Deutschland hatte die Dublin-Verordnung im September 2015 ausgesetzt. Zu dieser Zeit war Kroatien in einer sehr schwierigen Situation, weil es das erste Dublin-Land war, in das Flüchtlinge zurückgeschickt werden konnten.

Šefic: Deswegen ist Kroatien auch heute mit Recht besorgt hinsichtlich dessen, was passieren könnte. Slowenien hat aber deutlich ausgedrückt, dass es für alle Migranten, die nach Österreich weitergezogen sind, keine Politik der Rückkehr gibt.

STANDARD: Wurde die Dublin-Verordnung in Slowenien je ausgesetzt?

Šefic: Es war Deutschland, das im September 2015 gesagt hat, dass Dublin nicht umgesetzt wird. Danach wurde die Lage auf der Migrationsroute organisiert. Sämtliche Bedingungen, die laut Dublin tragend gewesen wären, waren außer Kraft gesetzt, weil dies eine ganz besondere Zeit war. Aber an einem Punkt war es notwendig, die Situation zu beenden, um eine normale Situation zu schaffen und das europäische System wiederherzustellen.

STANDARD: Ab nächsten März soll Griechenland verpflichtet werden, Asylsuchende aus anderen EU-Ländern laut der Dublin-Regelung zurückzunehmen. Kommen wir zurück zu dem alten System, das im Jahr 2011 in Griechenland zusammenbrach?

Šefic: Deutschland ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Griechenland nun in der Lage sei, seine Verpflichtungen laut Dublin umzusetzen und durchzuführen. Sollte dies wirklich passieren und streng umgesetzt werden und die Menschen zurückgeschickt werden, wird – so denke ich – Griechenland zusammenbrechen. Ich glaube, dass diejenigen, die die Kriterien für Asyl und subsidiären Schutz nicht erfüllen, von der EU in ihre Länder zurückgeschickt werden sollten. Das ist entscheidend, alles andere bringt zusätzliche Probleme.

STANDARD: Warum erwarten Sie, dass Griechenland zusammenbrechen könnte?

Šefic: Die Polizei in Bulgarien, Serbien, Mazedonien, Kroatien und Slowenien hat strenge Grenzkontrollen durchgeführt, und die illegale Migration ist zurückgegangen. Aber wir können erwarten, dass sich dies ändert, weil sich die Leute, die sich ohne eine Niederlassungsperspektive in Griechenland befinden, für riskante illegale Wege entscheiden könnten. Bisher gibt es nur fünf oder sechs Länder, die am Umsiedlungsprogramm teilnehmen. In Griechenland gibt es aber nicht nur 60.000 registrierte Migranten, sondern auch weitere nicht registrierte. Das ist eine Belastung, die kein Land meistern kann.

STANDARD: Deutschland kritisierte die Schließung der Balkanroute mit dem Argument, Griechenland würde zusammenbrechen. Warum wurden die Schließung der Balkanroute und der Türkei-Deal nicht kombiniert?

Šefic: Diese beiden Maßnahmen waren komplementär. Wenn das Abkommen zerbricht, könnten aber die Menschen, die in der Türkei sind, Druck auf Griechenland und Bulgarien usw. ausüben und das könnte bedeuten, dass sich die Situation wiederholen wird. Deutschland hat auf der anderen Seite allmählich begonnen, seine Position bezüglich der Migration zu ändern.

STANDARD: Die deutsche Kanzerlin Angela Merkel war gegen die Schließung der Route, zur gleichen Zeit gab es aber Einreisebeschränkungen in Deutschland.

Šefic: Das war paradox. Merkel sagte, dass die Migrationsroute offen sein sollte, und auf der anderen Seite hatten die deutschen regionalen Regierungen sehr strikte Positionen zur Migration – auch Innenminister Thomas de Mazière sagte, dass es unmöglich sei, den Zustrom zu managen.

STANDARD: Bis jetzt hat die Europäische Kommission die Schließung der Balkanroute nicht anerkannt.

Šefic: Meines Erachtens haben viele der Beamten der EU bis heute noch nicht alles verstanden, was geschehen ist und was jetzt geschieht. (Adelheid Wölfl, 8.2.2107)