Rachel Rose zeigt in Bregenz drei ihrer Videowerke und macht das Foyer des KUB mit ihrer bunten Photoshop-Version von Kirchenfenstern zu einer Kathedrale.

Foto: KUB/Tretter

Bregenz – Videotime im Kunsthaus Bregenz. Rachel Rose, mit 30 die jüngste Künstlerin, der das KUB je eine Einzelausstellung widmete, zeigt im Zumthor-Bau drei filmische Collagen. Jede für sich ist eine Einladung in die Innenwelt der Künstlerin oder, wenn man bereit ist, den Sog zuzulassen, in die eigene.

In A Minute Ago spukt ein längst verstorbener Architekt durch eines seiner Häuser, und ein Hagelsturm zerstört eine Strandidylle. Ein Astronaut versucht in Everything and More, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, eine Menschenmenge wiederum entflieht der Wirklichkeit mit Dance-Music. Palisades in Palisades zeigt eine junge Frau, die in einem Park am Hudson sich dessen bewusst wird, dass sie sich auf einem früheren Schlachtfeld befindet.

Auf riesigen, extra angefertigten Videowänden zeigt Rachel Rose ihren Mix aus Innen- und Außenwelt, Geschichte und Gegenwart, Ereignissen und Gefühlen. Nicht Figuren, Plot oder Sound machen ihre Filme aus, sondern Phänomene. Rachel Rose entführe in Grenzerlebnisse des Sehens, Hörens, Fühlens, nicht zuletzt des Seins, sagt KUB-Direktor Thomas D. Trummer.

Aufregung, Angst, Ekstase – Gefühle, selbst erlebt, stehen am Beginn einer Arbeit, sagt Rose. Sie recherchiert penibel. Für ihr Weltraumvideo über Schwerelosigkeit, über die Veränderung der Sinneswahrnehmung, des Gefühls für den eigenen Körper und die Wirklichkeit führte sie Interviews mit einem früheren Astronauten. Dazu mischte sie Sequenzen, die in einem Simulationsbecken der Nasa gefilmt wurden, mit Bildern tanzender Menschenmengen und Nahaufnahmen alltäglicher Flüssigkeiten wie Milch, Öl, Wasser. Alles zerfließt in einem unwirklichen Farbenmeer. Das Video wird zum Tableau.

Ihre Angst während des Hurrikans Sandy, der 2012 New York lahmlegte, verarbeitet Rachel Rose in One Minute Ago. Von einer Minute auf die andere zerstört ein Hagelsturm eine Strandidylle. Rachel Rose verbindet das Katastrophenerlebnis mit einer gespenstischen Tour durch das Glass House von Philip Johnson, einem umstrittenen Architekten der Postmoderne. Der verstorbene Architekt führt als Geist durch das gläserne Baudenkmal, das schlussendlich in tausende Teile zerbirst.

Überlagert wird das Ganze mit Gejohle aus einem Livekonzert, eine zweite Zeitebene schiebt Rose mit einem Barockgemälde von Nicolas Poussin, das eine Bestattung darstellt, ein. Nach achteinhalb Minuten taucht man erleichtert in der Wirklichkeit auf. Das Kunsthaus steht noch. Doch ein Stockwerk höher findet man sich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wieder.

Eine junge Frau betrachtet den Hudson, denkt nach. Historische Bilder von Schlachten und Feldherren tauchen auf. Der Park um sie herum war einst ein Schlachtfeld. Die Kamera zoomt ins Blau der Uniformen, des Pullovers der Frau und auf ihre blau getuschten Wimpern. "My baby shot me down", singt eine Frau. "Ich bin die Stimme der Toten", ertönt die Stimme der Spaziergängerin verzerrt. Gestern wie heute. Krieg und Zerstörung sind allgegenwärtig. Eine traurige Botschaft, die Rachel Rose überbringt. (Jutta Berger, 8.2.2017)