ÖVP-Generalsekretär Werner Amon hält Koalitionsansagen schlicht für "falsch".

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STANDARD: Jetzt hat sich die Regierung gerade zusammengerauft und will bis 2018 arbeiten, schon ist die SPÖ wieder auf Partnersuche. Rot-Grün-Neos ist nun das erklärte Ziel des Kanzlers. Hat Sie diese deutliche Ansage verwundert?

Amon: Verwundert hat mich vor allem der Zeitpunkt dieser Diskussion, nachdem wir den Relaunch eben gerade erst vereinbart haben. Insofern ist die Koalitionsvariante, die mein Kollege Georg Niedermühlbichler (SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Anm.) hier ins Gespräch bringt, wohl eher aus innerparteilichen Gründen zu verstehen.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Amon: In der SPÖ gibt es offenbar heftige Debatten über die Annäherung an die freiheitliche Partei. Ich darf diesen Kuschel-Talk in Erinnerung rufen, den der Herr Bundeskanzler mit dem FPÖ-Bundesparteiobmann geführt hat. Oder an den Beschluss, den die SPÖ vorbereitet, um die FPÖ als Koalitionspartner wieder salonfähig zu machen. Insofern hat sich der Kanzler aus einer innerparteilichen Perspektive in den vergangenen Wochen und Monaten wohl zu weit rechts positioniert und muss jetzt zurückrudern. Die linksliberalen Fußtruppen sollen bei Laune gehalten werden.

STANDARD: Was bedeutet es für die rot-schwarze Beziehung, dass der Koalitionspartner eigentlich mit einer anderen Verbindung liebäugelt?

Amon: Ich habe relativ viel Verständnis für parteiinterne Notwendigkeiten. Wir haben ein gutes Arbeitsprogramm, mit dem wir als Volkspartei außerordentlich zufrieden sind. Es gibt keinen Grund, an der Handschlagqualität des Herrn Bundeskanzlers in Bezug auf das Regierungsprogramm und auch an den Unterschriften, die wir ja haben, zu zweifeln.

STANDARD: In anderen Ländern sind Koalitionsansagen vor Wahlen üblich, in Österreich eher weniger. Ist es gegenüber den Wählern nicht eigentlich fair, ein klares Bekenntnis abzugeben, mit wem man will?

Amon: Ich würde das umgekehrt sehen. Es ist eher eine Missachtung des Wählerwillens, sich von vornherein auf etwas festzulegen, wo man gar nicht weiß, ob das mathematisch überhaupt möglich sein wird. Daher vertreten wir die Position, dass zunächst der Wähler am Zug ist und die Macht verteilt. Dann wird entschieden, mit wem man eine programmatische Übereinstimmung findet, die für ein Regierungsprogramm taugt. Das Pferd wird von der falschen Seite aufgezäumt, wenn man sich vor Wahlen auf Koalitionen festlegt. Ich halte das für falsch.

STANDARD: Parteichef Reinhold Mitterlehner und Sie haben dennoch erst kürzlich die Devise ausgegeben, dass zumindest in einem Wahlkampf der größte Konkurrent der ÖVP die FPÖ ist. Vor allem mit den freiheitlichen Positionen zum Thema Europa können Sie gar nicht. Somit bleibt ÖVP im Grunde ja gar nichts anderes übrig, als weiterhin auf eine Koalition mit den Roten zu spekulieren?

Amon: Die inhaltliche Abgrenzung ist notwendig, aber deshalb noch keine Ausgrenzung. Wenn wir über die FPÖ reden, gibt es vor allem Probleme bei dem Thema Europa, da ein lebendiges Europa ein Herzstück unserer Politik ist, und das bleibt auch so. Die Freiheitlichen haben aber auch kein Wirtschaftskonzept und keine Vorstellung, wie das Land nach vorne zu bringen ist. Bei der SPÖ gibt es aber auch Themen, die für uns schwierig sind. Die klammern wir in den kommenden 18 Monaten eben aus – ein Beispiel wären die diversen roten Steuerfantasien.

STANDARD: Aus roter Sicht ist eine Neuauflage von Rot-Schwarz nur mit – Zitat SPÖ-Bundesgeschäftsführer Niedermühlbichler – "geläuterten Schwarzen" möglich. Wie viel Läuterung trauen Sie Ihrer Partei denn zu?

Amon: Ich weiß nicht, ob er das in einem metallurgischen Sinne (in der Metallverarbeitung bezeichnet die Läuterung ein Trennverfahren, Anm.) oder in einem theologischen Sinne gemeint hat. Ich kenne mich nicht aus, was er meint.

STANDARD: Das neue Koalitionsprogramm trägt eine kräftige schwarze Handschrift – der rote Geschäftsführer Niedermühlbichler erwartet sich künftig wohl mehr Entgegenkommen von Ihrer Seite.

Amon: Es ist etwas viel verlangt, dass ich jetzt schon in Bezug auf künftige Verhandlungen eine Aussage treffe. Wir sind derzeit außerordentlich zufrieden und wollen, dass einmal umgesetzt wird, was wir beschlossen haben.

STANDARD: Innerparteilich kämpft der schwarze Parteichef mit mehreren Quertreibern. Innenminister Wolfgang Sobotka hätte durch seine Unterschriftsverweigerung zuerst fast das Regierungsabkommen torpediert, nun beharrt er trotz Absage des Koalitionspartners und seines Chefs auf einer Einschränkung des Demonstrationsrechts. Warum lassen sich gewisse Personen innerhalb der ÖVP so schwer im Zaum halten?

Amon: Die Frage der Unterschrift ist geklärt. Bezüglich des Demonstrationsrechts muss ich sagen, dass das kein unwichtiges Thema ist. Das muss man in Ruhe mit Experten diskutieren. Natürlich darf es nicht zu Grundrechtseingriffen kommen, die wir nicht wollen. Aber man muss auch die Unternehmer verstehen, die mit ihrem Geschäftslokal auf der Route von Demonstrationen liegen und die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen mit massiven Sachbeschädigungen konfrontiert sind. Der alte Grundsatz, dass die Freiheit des einen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird, muss ja wohl auch hier in einer Güterabwägung Platz greifen.

STANDARD: Gewisse Verhältnismäßigkeiten kann die Behörde ja auch schon jetzt abwägen.

Amon: Die Frage ist immer, wie man so etwas rechtlich aufsetzt – ob es da einen Rechtsschutzbeauftragten oder einen Richter braucht. Für sehr emotional geführte öffentliche Debatten ist das Thema jedenfalls nicht geeignet. Im Ablauf wäre es von Vorteil gewesen, wenn man das schon bei der Neuauflage des Regierungsprogramms eingebracht hätte.

STANDARD: Müssen wir auch weiterhin damit rechnen, dass einzelne Minister Themen einbringen, die im Regierungsprogramm mit keinem Satz vorkommen und damit neue Koalitionsstreits vom Zaun brechen?

Amon: Ich bin kein Hellseher. Es geht schon in erster Linie darum, jetzt die Punkte abzuarbeiten, auf die wir uns geeinigt haben. Wenn es Minister gibt, die Fleißaufgaben machen, oder sich neue Notwendigkeiten ergeben, muss das Einbringen neuer Themen aber natürlich möglich sein.

STANDARD: Wird die Koalition also trotz allem bis 2018 halten?

Amon: Man darf sich als Bundesregierung von Unwägbarkeiten nicht beeinträchtigen lassen. (Katharina Mittelstaedt, 9.2.2017)