Kathrin Trattner ist Dissertantin der Religionswissenschaft an der Universität Graz.

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Graz – Seit sie an ihrer Dissertation arbeitet, hat Kathrin Trattner eine beachtliche Zahl von Jihadisten ins Paradies befördert. Rein virtuell, versteht sich. Denn als Religionswissenschafterin an der Universität Graz hat die 27-Jährige andere Ziele im Leben. Eines davon ist die wissenschaftliche Analyse US-amerikanischer Kriegsvideospiele in Hinblick auf deren Islamdarstellung. Angesichts der enormen Verbreitung und der ideologischen Aufrüstung dieser Military-Shooter-Games seit 9/11 ein brandaktuelles Dissertationsthema, für das sie viele Kampfstunden am PC in Kauf nehmen muss.

Was sie dabei beobachtete, sagt einiges über das Bild des Westens von der islamischen Welt aus. "Vor der Jahrtausendwende wurde der Nahe und Mittlere Osten in Spielen meist romantisierend im Stil von Tausendundeine Nacht dargestellt", sagt Trattner. "Spiele wie Disneys Aladdin oder The Magic of Scheherazade dominierten den Markt." Seit 9/11 sei der Orient häufiger im Ego-Shooter-Genre zu finden, vor allem im Subgenre der Military-Shooter. "Das Setting ist nicht mehr mythisch geprägt, sondern vor allem ein Kriegsschauplatz, wo die Spieler in der Rolle von US-Soldaten ihre arabischen Feinde jagen."

Bei der Gestaltung dieses Umfelds spiele der Islam eine zentrale Rolle: Überall sind Minarette zu sehen, oft verstecken sich die Feinde, die durch lange Bärte und häufige "Allah"-Rufe als islamistische Terroristen erkennbar sind, in Moscheen. Diese sind deshalb auch oftmals Kampfschauplätze.

Diskriminierende Feindkonstruktion

Kathrin Trattner hat auch analysiert, wie die simplifizierende Gleichsetzung von Religion, Ethnizität und Terrorismus von den Millionen Spielern auf der ganzen Welt wahrgenommen wird. "Dazu habe ich die sogenannten 'Lets play' auf Youtube durchforstet, wo das Spielen eines Computerspiels vorgeführt und kommentiert wird", berichtet sie. Wenig überraschend, dass die geschilderte Feindkonstruktion von vielen Moslems als Diskriminierung wahrgenommen wird: "Wie stark die Verbindung von Islam und Terror schon im allgemeinen Bewusstsein verankert ist, zeigt sich am ausgeprägten Rechtfertigungs- und Abgrenzungsbedürfnis muslimischer Spieler", so Trattner. "Viele fühlen sich aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit gedrängt, ihre Ablehnung des islamistischen Terrors zu betonen."

Alarmierend ist der Eintrag eines zwölfjährigen Buben mit pakistanischen Wurzeln aus den USA: Er finde das vorgestellte Spiel zwar gut, nur leider beschimpfen ihn seine Schulkollegen, seit sie es spielen, als Terroristen. "Spiele greifen ja nicht nur gesellschaftliche Diskurse und Zuschreibungen auf, sondern transportieren sie auch weiter", sagt die gebürtige Salzburgerin. Ein Umstand, den man angesichts der enormen Verbreitung von Kriegsspielen nicht unterschätzen sollte. "Wirtschaftlich hat die Gaming-Industrie Hollywood schon längst überholt."

Begeisterte Spielerin

Dass sich Trattner wissenschaftlich mit Videospielen beschäftigt, ist zum Teil ihrer eigenen Medien- und Popkulturaffinität geschuldet. "Ich bin eine begeisterte Spielerin, aber zu den Military-Shooter-Games habe ich mich zwingen müssen", sagt sie. Für Entspannung sorgen Konzert- und Kinobesuche, und auch ihre Kochleidenschaft bietet friedlichen Ausgleich zu den Schießereien im Dienst der Forschung. (Doris Griesser, 10.2.2017)