Behindertenanwalt Erwin Buchinger – hier bei seiner Bilanz-Pressekonferenz am Donnerstag – beendet seine Funktion Ende März "aus persönlichen und privaten Gründen".

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Wien – In Österreich, so Erwin Buchinger, gebe es "eine starke Lobby für behinderte Menschen" – nur sei die "am stärksten in Sachen Charity. Geht es hingegen um Gleichstellung, Teilhabe, Selbstbestimmung behinderter Menschen, so ist das Herz der Österreicher noch ziemlich verschlossen", sagte der mit Ende März scheidende Behindertenanwalt in seiner "persönlichen Bilanz" am Ende der jährlichen Abrechnung der Behindertenanwaltschaft am Donnerstag. Buchingers Nachfolger ist noch nicht bekannt.

Er verlasse seine Funktion "aus persönlichen und privaten Gründen", sagte der 61-Jährige, der am 16. Dezember 2009 zum Behindertenanwalt berufen wurde. Davor war er von 2007 bis 2008 unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) Sozialminister.

Negativbilanz am Arbeitsmarkt

Nach sieben Jahren als staatlich beeideter Kämpfer gegen die Diskriminierung körperlich oder psychisch gehandicapter Menschen im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungs- oder Behinderteneinstellungsgesetzes schmerze ihn vor allem deren missliche Lage auf dem Arbeitsmarkt, sagte Buchinger.

Auch 2016 habe sich hier kein Erfolg eingestellt: Während die Zahl Arbeitsloser ohne gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen im Vergleich zu 2015 um 0,9 Prozent zurückging, stieg sie bei Arbeitslosen mit Einschränkungen um 8,4 Prozent. "Daher fordern wir, Menschen mit Behinderung bei dem von der Regierung angekündigten 20.000-Jobs-Beschäftigungsprogramm für über 50-jährige Arbeitslose besonders zu berücksichtigen."

Fortschritt bei Schulinklusion

Leichte Fortschritte konstatierte Buchinger bei der Inklusion von Kindern mit Behinderung an Regelschulen. Die Zahl von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf habe dort im Schuljahr 2015/16 leicht zugenommen, sagte er – wollte aber noch von "keiner Trendwende" sprechen. "Unerträglich" hingegen sei eine Streichung im 2. Erwachsenenschutzgesetz, mit dem behinderten Kindern und Jugendlichen "weiter der menschenrechtliche Schutz vorenthalten wird, wie ihn Erwachsene seit Jahren haben".

Tatsächlich war bis zum Ministerratsbeschluss des Gesetzespakets am 17. Jänner geplant, endlich auch Einrichtungen "zur Pflege und Erziehung Jugendlicher" in die Kontrolltätigkeit des Vertretungsnetzes gegen menschenrechtswidrige Freiheitsbeschränkungen laut Heimaufenthaltsgesetz einzubeziehen. Um auch dort zu verhindern, dass Insassen menschenrechtswidrig angebunden, eingesperrt, in Kastenbetten isoliert oder mit Medikamenten niedergespritzt werden.

Wie in der WG Steinergasse

Die Ausweitung, so Buchinger, hätte jährlich 3,4 Millionen Euro gekostet. Im Gesetz, wie es im März im Nationalrat beschlossen werden soll, kommt sie nicht mehr vor. Von der Streichung – so die Fachbereichsleiterin beim Vertretungsnetz, Susanne Jaquemar – seien "Kinder und Jugendliche in bundesweit 800 Einrichtungen" betroffen. Auch an Orten wie der betreuten WG in der Wiener Steinergasse, wo die schlechte Behandlung der Bewohner durch einen STANDARD-Bericht aufgedeckt wurde. (bri, 10.2.2017)