Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) will eine verbindliche Übung zu "digitaler Grundbildung" einführen.

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Wien – Die Lehrerbildung entscheidet darüber, ob künftig mehr Schulen digitale Medien sinnvoll im Unterricht einsetzen, sind sich Experten einig. "Die große Kunst wird sein, wie die Lehrpersonen das in ihren Unterricht einbinden. Man muss ihnen dafür die methodischen und didaktischen Werkzeuge in die Hand geben", sagt Ernst Karner von der Gesellschaft "IT in der Bildung".

Derzeit gebe es hier allerdings noch viel Verbesserungsbedarf. Die Folge: "Viele Lehrpersonen haben Angst im Umgang mit dem Computer gegenüber dem Schüler, weil der sich möglicherweise besser auskennt als der Lehrer – und das ist natürlich eine Hürde, wo man unsicher wird." Karner wünscht sich deshalb neben mehr Angeboten für bereits aktive Lehrer, dass zukünftige Lehramtsstudenten Grundkenntnisse im Umgang mit dem Computer nachweisen müssen. Im Rahmen der Ausbildung müssten dann verpflichtend didaktische und methodische Modelle vermittelt werden, wie man den PC im Unterricht einsetzen kann.

Zehn-Finger-System für Volksschüler

Digitale Medien sollten, geht es nach Karner, schon ab der ersten Klasse Volksschule im Unterricht vorkommen: "Die Kinder haben in diesem Alter schon Smartphones oder Tablets – das kann man nicht einfach negieren." Bei den Sechs- bis Zehnjährigen sollte seiner Meinung nach vor allem der verantwortungsvolle Umgang mit Informationstechnologien und Sozialen Medien im Zentrum stehen. Außerdem sollte man seiner Meinung nach – "und da werden alle aufschreien" – mit dem Zehn-Finger-Schreiben auf der Tastatur beginnen, weil in diesem Alter die motorischen Fähigkeiten am besten entwickelt seien – freilich ohne das Schreiben mit der Hand dadurch zu ersetzen. Lesen, Schreiben und Rechnen seien die wichtigsten Fähigkeiten, die in der Volksschule vermittelt werden sollen. Mit den richtigen didaktischen Modellen könne das aber auch mittels digitaler Medien passieren.

Für die Neue Mittelschule und die AHS-Unterstufe hätte sich Karner ein eigenes Fach gewünscht, in dem von der ersten bis zur vierten Klasse ein qualifizierter Lehrer je eine Wochenstunde den Umgang mit moderner Technik lehrt. Zusätzlich sollten digitale Medien als Querschnittsmethode auch in anderen Fächern eingesetzt werden. "Das ist aber nicht durchsetzbar gewesen", bedauert. Die Digitalisierungsstrategie von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) sieht stattdessen vor, dass die Zehn- bis 14-Jährigen in zwei bis vier Wochenstunden in einer verbindlichen Übung (verpflichtende Teilnahme, aber keine Note) "digitale Grundbildung" lernen.

Gratis-Tablet "verändert nichts"

Insgesamt bewertet Karner das Programm der Regierung dennoch positiv: "Endlich passiert hier wieder etwas." Das geplante Angebot an Gratis-Tablets nach der Volksschule und Gratis-Notebooks nach der Unterstufe würde er allerdings nicht überbewerten. "Diese Initiative führt dazu, dass erstmals alle Schüler ein brauchbares Tablet oder Notebook haben. Das ist ein positives Zeichen, verändert aber nichts." Entscheidend sei eben, wie die Lehrer auf den Einsatz moderner Medien vorbereitet würden.

Diesen Befund teilt auch Psychologe Markus Appel von der Universität Koblenz: Alle Experten seien sich einig, dass der Einsatz von Tablets oder PCs im Unterricht allein keinen Mehrwert bringe. "Entscheidend ist das didaktische Konzept." Wenn Lehrer sich davor nicht genau überlegt haben, was die Schüler durch eine bestimmte Übung lernen sollen, könne der Einsatz digitaler Medien sogar Schaden anrichten. "Dann geht hier Zeit verloren, die ich sonst anders gut nutzen könnte."

Hilfreich bei Individualisierung

Ernsthaftigkeit ist für Appel ebenfalls ein wichtiges Stichwort: Würden moderne Medien nur eingesetzt, um zwischendurch ein wenig im Internet zu surfen oder zu spielen, werde ihr Nutzen gering geschätzt. "Wenn sie nur für die unernsten Dinge eingesetzt werden, lernen die Schüler nicht, wie sie sie nutzen können, um Wissen zu erwerben." Mögliche Einsatzformen moderner Medien im Unterricht sind für Appel etwa das kooperative Lernen, wo sich Schüler per Computer oder Tablet zuerst neues Wissen aneignen oder Aufgaben lösen, das dann in einer Kleingruppe weitergeben und ein Dokument für die gesamte Klasse erstellen können.

"Natürlich ist das kein Ersatz für den Lehrer oder den klassischen Unterricht", betont Appel. Der Unterricht sollte nur mit modernen Medien angereichert werden, und auch das nicht durchgängig. Eine klare Entlastung für die Lehrer können die digitalen Medien hier etwa bei der Individualisierung sein, indem ein Programm automatisch den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben an das Können der Schüler anpasst und der Pädagoge nicht extra angepasste Aufgaben vorlegen muss. (APA, 20.2.2017)