Der Kabarettist und Schauspieler Roland Düringer probt Politik und steht demnächst als "Der Kanzler" auf der Bühne.

Foto: Newald

"Die Leute, die mich wählen wollen, sind bei ,Gilt' falsch. Es geht nicht darum, eine Person zu wählen."

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"Das klingt vielleicht präpotent, aber mein Ziel ist es, bei der nächsten Wahl in der Wahlkabine ein gutes Gefühl zu haben."

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"Wie wird man Arschlöcher los? Arschlöcher heißt für mich: Handeln aus Eigennutz auf Kosten anderer."

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STANDARD: Sind Sie noch immer ohne Handy unterwegs?

Düringer: Ja, ich bin seit Jahren ohne Handy unterwegs, und ich scheiß in den Wald. Nein, natürlich nicht. Ich habe eine Zeitlang probiert: Wie ist das Leben ohne technische Gimmicks, wie gestaltet sich das Leben, wenn man das alles beiseitelässt? Jetzt habe ich wieder ein Handy, allerdings nutze ich es viel vernünftiger als früher, indem nicht jeder meine Nummer hat.

STANDARD: Wie ernst ist es mit dem Antreten in der Politik? Eine Partei haben Sie ja schon angemeldet.

Düringer: Das muss man als Kunstprojekt verstehen. Der Herr Düringer geht nicht in die Politik. Der Herr Düringer hat gemerkt, welche Möglichkeiten er hat als öffentliche Person. Der Punkt war die Hypo-Geschichte. Ich habe dem Finanzminister einen Brief geschrieben, zehn Tage später bin ich in seinem Büro gesessen bei einem Vieraugengespräch. Andere Leute haben ihm sicher auch geschrieben, aber ich bin dort gesessen. Ich habe Möglichkeiten durch das, was ich bin. Und dann war da noch die Nationalratswahl 2013, wo ich ungültig gewählt habe. Mir sind diese Wahlsendungen, wo Politiker mit irgendjemandem im Auto mitfahren oder Eierspeise kochen müssen, diese ganze Inszenierung, die Konfrontationen, die Duell heißen, wahnsinnig auf die Nerven gegangen. Das hat mich angewidert. Dann hatten wir eine Wahlbeteiligung von 75 Prozent. 25 Prozent sind Nichtwähler, 90.000 haben ungültig gewählt, so wie ich. Da habe ich mir gedacht, es wäre doch schön, wenn wir diesen ungültigen Stimmen eine Gültigkeit geben.

STANDARD: Wie soll das gehen?

Düringer: Man tritt als Liste an, die heißt "Gilt", und schaut sich das an. Man bietet das als Möglichkeit für alle Nichtwähler an. Die Menschen, die ungültig wählen, die nicht wählen oder die einer Kleinpartei, die sowieso keine Chance hat, aus Protest ihre Stimme geben, glauben, dass sie etwas bewirken. In Wirklichkeit bewirken sie, dass die stimmenstärksten Parteien gestärkt werden, also genau das, was sie nicht wollen. Daher ist das jetzt eine Möglichkeit, das Wahlergebnis zu verändern, indem man am Wahltag eine Botschaft hinterlässt in der Wahlzelle. Ohne Programm, ohne Ideologie, ohne alles.

STANDARD: Also ohne Ideologie, Programm und Inhalt ins Parlament?

Düringer: Der erste Schritt sind die 2600 Unterstützungserklärungen, die wir für ein Antreten brauchen.

STANDARD: Das sollte für Sie zu schaffen sein.

Düringer: Dann steht "Gilt" am amtlichen Stimmzettel.

STANDARD: Sie sagen aber, Sie wollen gar nicht in die Politik gehen.

Düringer: Ich gehe nicht in die Politik.

STANDARD: Wer wird der Spitzenkandidat sein?

Düringer: Es gibt keinen Spitzenkandidaten. Es gibt einen Listenersten, das werde natürlich ich sein.

STANDARD: Also wählt man den Herrn Düringer.

Düringer: Die Leute, die mich wählen wollen, sind bei "Gilt" falsch. Es geht nicht darum, eine Person zu wählen, die dann für sie alles gut machen wird, sondern es geht darum, einer sonst ungültigen Stimme eine Gültigkeit zu verschaffen. Das ist das Konzept.

STANDARD: Wäre es für Ihr Projekt nicht hilfreich, wenn Sie auch ein paar Inhalte hätten?

Düringer: Wenn ich jetzt sagen würde, wir haben klare Konzepte, wie man menschengerechtere Arbeitsplätze schaffen kann und ein besseres Schulsystem und gescheitere Kinder, dann würde ich lügen, weil: Ich weiß es nicht. Es ist so viel in Bewegung. Die Flüchtlinge: Es kommen Menschen zu uns, die brauchen Hilfe. Es ist normal, Menschen zu helfen, aber es gibt natürlich auch Arschlöcher. Gibt es ja bei uns auch. Die Diskussion, die ich mit mir selbst führe, ist nicht: Geht es um Flüchtlinge, geht es um Ausländer? Sondern: Wie wird man Arschlöcher los? Ich möchte, dass endlich einmal von diesem Planeten die Arschlöcher verschwinden. Arschlöcher heißt für mich: Handeln aus Eigennutz auf Kosten anderer.

STANDARD: Angenommen, Ihre Liste schafft den Einzug ins Parlament ...

Düringer: Dann wäre für mich die Idee vorbei. Für mich hat dieses Projekt am Wahltag sein Ende.

STANDARD: Das wäre doch schade, wenn all diese Energie verpufft.

Düringer: Für mich nicht. Aber das hat die Frau Griss in einem Gespräch auch zu mir gesagt: Wenn es diese Sitze im Parlament gebe, muss man sie doch auch besetzen. Aber nicht mit mir. Mir wäre es am liebsten, wenn dort Menschen sitzen, die sonst nie die Möglichkeit hätten, ins Parlament zu kommen. Die Arbeitslosen, die alleinerziehende Mutter, die von der Mindestsicherung lebt, die chronisch Kranken. Wenn man solche Leute findet, die sich reinsetzen, wär das schon einmal sinnvoll.

STANDARD: Und was sollen die dann im Parlament machen – ohne Programm, ohne Inhalte?

Düringer: Die sind nur mehr ihrem Gewissen verpflichtet, keiner Partei. Das gibt es jetzt nicht.

STANDARD: Möglicherweise sind die aber nur am Gehalt von 8600 Euro interessiert.

Düringer: Das sind 4800 netto. Das ist natürlich ein finanzieller Anreiz. Schön wäre es, wenn man aus dieser Idee auch ein Sozialprojekt machen könnte. Die Personen, die antreten, verpflichten sich, eine einfach zu merkende Summe, nämlich 2018 Euro, für sich zu behalten, da brauchen sie nur auf den Kalender schauen, wann die Wahl war. Der Rest wird für soziale Zwecke verwendet. Diese Abgeordneten könnten eine Verbindung herstellen zwischen dem Parlament und den Menschen auf der Straße. Möglichkeiten gibt es ganz viele.

STANDARD: Das erinnert an das Team Stronach. Die wollten auch das System aufrollen und wurden aus einer Protestbewegung gespeist. Letztendlich haben sie sich im Parlament lächerlich gemacht.

Düringer: Mich erinnert das überhaupt nicht an den Stronach. Ich will ja nicht in die Politik, Stronach wollte als politische Partei für dieses Land etwas tun. Er wollte mit seinen Leuten ins Parlament einziehen, ich will das nicht. Das ist mir ganz egal.

STANDARD: Was wollen Sie dann?

Düringer: Es ist ein Kunstprojekt. Wenn wir ein Prozent schaffen, dann ist das ungefähr so viel wie die, die bei der letzten Wahl ungültig gewählt haben. Dann hat man diesen Menschen eine Möglichkeit geboten.

STANDARD: Angenommen, Sie schaffen mit Ihrer Liste fünf Prozent. Was wäre dann die Aussage dieses Projekts?

Düringer: Es gibt keine Aussage, es gibt eine Wirkung. Die Idee ist, den Menschen die Möglichkeit zu bieten, eine Botschaft am Wahltag zu hinterlassen. Eine ganz klare Botschaft, die auch ankommt und verstanden wird. Man kann das als eine Art Demonstration abzeichnen. Die Botschaft lautet: Uns gibt's, diese 25 Prozent Nichtwähler.

STANDARD: Haben Sie nicht zu hohe Erwartungen in das Potenzial der Nichtwähler? Da sind sicher viele dabei, die angefressen sind oder frustriert, es werden aber auch viele dabei sein, die sich einfach nicht interessieren, nicht für die Politik, nicht für die Gesellschaft, nicht für ihre Nachbarn.

Düringer: Das kann sein. Es sind sicher viele dabei, die so mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie für Politik überhaupt kein Interesse haben. Entweder aus ökonomischen Gründen, aus gesundheitlichen Gründen, denen das scheißegal ist, die nur irgendwie schauen, dass sie über die Runden kommen. Das herauszufinden ist Teil des Experiments. Das klingt vielleicht präpotent, aber mein Ziel ist es, bei der nächsten Wahl in der Wahlkabine ein gutes Gefühl zu haben. Wenn "Gilt" dort steht und ich mach mein Kreuz, sage ich Ja.

STANDARD: Aber Sie machen mit diesem Projekt vielen Leuten auch Hoffnung, ihren Unmut ausdrücken zu können.

Düringer: Moment! Hoffnung würde bedeuten, dass in ihrem Leben etwas passiert, wenn sie das ankreuzen. Aber wir sind nur beim Ankreuzen, da kommt Hoffnung noch nicht ins Spiel. Es ist eine Möglichkeit.

STANDARD: Die Bürger, die sich bei Ihnen engagieren und mitmachen, haben doch eine gewisse Erwartungshaltung.

Düringer: Nicht, wenn sie das Projekt verstehen.

STANDARD: Ich versteh das offenbar nicht. Die Motivation jener, die frustriert sind vom politischen System, wollen doch ein Zeichen setzen, dass sie eben mit den anderen Parteien nichts anfangen können.

Düringer: Wenn ich dem System eines auswischen möchte und verstanden habe, wie das System funktioniert, gibt es eine einzige Möglichkeit: FPÖ wählen. Das ist die einzige Möglichkeit, dem bestehenden System einen Arschtritt zu geben. Das Nichtwählen oder KPÖ-Wählen bewirkt nichts. Und jetzt gibt es eine zweite Möglichkeit: Losgelöst vom Protest kann man da sein Kreuz machen.

STANDARD: Und was spricht gegen die Grünen? Warum nicht dort das Kreuzerl machen?

Düringer: Jemand, der Grün wählt, wird Grün wählen. Es geht nicht darum, anderen Parteien Wähler wegzunehmen, das ist absurd.

STANDARD: Und bei Ihnen? Warum nicht Grün?

Düringer: Ich selbst habe in meinem Leben nur zwei Parteien gewählt. Mein Vater hat ein Parteibuch gehabt, nicht weil er Sozialist war, sondern weil er eine Gemeindewohnung haben wollte. Bei uns ist immer Rot gewählt worden, hab ich halt auch Rot gewählt. Dann kam Hainburg, ich bin auch in der Au gesessen, daraus ist die grüne Bewegung entstanden, das war genau meins. Die Grünen haben sich aber total verändert. Für mich ist sich das irgendwann nicht mehr ausgegangen.

STANDARD: Und die FPÖ als Protestpartei kommt auch nicht infrage?

Düringer: Die FPÖ ist doch keine Protestpartei. Die wollen am selben Trog mitnaschen. Die prinzipielle Frage lautet: Wem will man die Unzufriedenen überlassen? Wenn man sich die aktuelle Entwicklung anschaut, ist eh klar, wem man die überlässt. Bei uns sind das die Freiheitlichen, woanders die AfD oder der Front National. Es geht nach rechts.

STANDARD: Und das behagt Ihnen nicht?

Düringer: Was mir nicht behagt, ist, dass das System totalitärer wird, dass es noch mehr Eingriffe in die Freiheit geben wird, dass es mehr Überwachung gibt. Das ist Teil eines rechten Systems. Viele Leute brauchen das, weil sie verunsichert sind. Sie wollen lieber überwacht als von einem Afghanen in die Luft gesprengt werden. So funktionier ich nicht. Ich habe keine Angst vor einem Terroranschlag. Ich fahr Motorrad. Wenn ich mich vor einem Terroranschlag fürchten würde, müsste ich verrückt sein. Die Chance, dass ich tödlich verunglücke, ist so groß, da brauch ich mich vor Terroristen nicht fürchten.

STANDARD: Seit wann haben Sie keine Kugerln mehr im Bart?

Düringer: Seit zwei Wochen. Und nächste Woche kommt der Bart ganz weg. Dann bin ich für mein neues Programm glatt rasiert. Das Stück heißt Der Kanzler. (Michael Völker, 11.2.2017)