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Wer zu schnell in ein zu intensives Training einsteigt, riskiert Überlastungserscheinungen.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Franziska Zoidl ist Journalistin und Freizeitsportlerin. Manchmal tut ihr aber etwas weh – dann schreibt sie darüber.

Zugegeben: Ich hätte das Vorhaben abblasen sollen. Dann wären mir ein Ärztemarathon, Physiotherapie und viele, viele Stunden verzweifelter Internetrecherche erspart geblieben. Denn eigentlich sprach im Sommer 2015 alles gegen mein Vorhaben, im Herbst einen Marathon zu laufen: Ich hatte in letzter Zeit nicht regelmäßig gesportelt, weil ich mich am Abend meistens nicht motivieren konnte. Überhaupt fehlte mir einfach die Lust am Laufen.

Aber ich hatte mich schon vor Monaten für den Marathon – meinen zweiten – angemeldet und hörte lieber auf den Trainingsplan als auf den Körper. Und der sagte: Mindestens viermal Laufen in der Woche, lang, kurz, schnell, langsam. Das volle Programm. Zehn Wochen waren es noch bis zum großen Ziel.

Das ging drei Wochen lang überraschend gut. Bis zu dem Tag, an dem ich plötzlich beim langen Dauerlauf ein Ziehen im rechten Unterschenkel spürte, fast wie ein Krampf, das nach dem Lauf wieder verschwand. Ein paar Tage später war da am Anfang meines Laufs plötzlich ein Brennen auf der Innenseite meiner Unterschenkel, ein paar Zentimeter unter dem Knie, das nach einigen Minuten aber auch wieder verging. Und beim nächsten Lauf war da ein stechender Schmerz, der ab dem ersten Schritt einsetzte. Da half keine Geh- und keine Dehnpause: Der Lauf wurde abgebrochen, Internet und Freundeskreis zurate gezogen.

Überlastung beim Training

Der Sportarzt stellte schließlich die Diagnose: Bei den Schmerzen, die sich mittlerweile sogar einstellten, wenn ich nur ein paar Schritte zur Straßenbahn lief, handelte es sich um das Schienbeinkantensyndrom, auch Shin Splints genannt. Es ist ein echter Klassiker bei Läufern, die zu schnell in ein zu intensives Training einsteigen, und äußert sich durch Druckempfindlichkeit entlang des Schienbeins, manchmal mit Rötungen und Schwellungen. Typischerweise treten die Schmerzen anfangs nur zu Beginn des Laufes auf, irgendwann gehen sie dann nicht mehr weg. Das Problem: Ein Wundermittel gibt es nicht. Wirklich nicht, sonst hätte ich es sicher gefunden.

Der Arzt verordnete mir eine Trainingspause und schickte mich zum Physiotherapeuten, der an meinen Faszien herumdrückte und -knetete, was höllisch wehtat. Er zeigte Dehn- und Balanceübungen für zu Hause vor, klebte Tapes auf meine Unterschenkel und riet mir, zusätzlich auch ein Schmerzpflaster aus der Apotheke zu verwenden, viel Eis aufzulegen und es ruhig auch einmal mit einem Krautwickel zu probieren. Ja, wirklich.

Ich ließ nichts unversucht: Aber das Schienbeinkantensyndrom zeigte sich auch vom Krautwickel unbeeindruckt. Die Laufpause wurde immer länger, der Marathon wurde schließlich abgesagt. Jeder noch so kurze Lauf, den ich probierte, musste aufgrund von Schmerzen abgebrochen werden. Interessant war, dass die Schmerzen mit der Zeit entlang der Schienbeinkante nach unten wanderten und irgendwann den Knöchel erreichten.

Asymmetrien und blaue Flecken

Das einzig Gute an der Pause: Ich hatte stets genug Gesprächsstoff mit Läufern im Freundes- und Bekanntenkreis. Denn irgendwie hatte jeder solche Probleme schon einmal gehabt. Die einen rieten mir dazu, mindestens einmal wöchentlich schwimmen zu gehen und zeigten mir Dehnübungen mit elastischen Bändern. Die anderen schworen auf Kompressionsstrümpfe – nicht nur beim Laufen, sondern auch an langen Bürotagen. Ich erhielt Tipps für diverse Nahrungsmittelergänzungen und probierte alles aus. Von Kortisoninjektionen ließ ich dann aber lieber die Finger.

Ich wurde zu einem Allgemeinmediziner geschickt, der mich quaddelte, der mir also an verschiedenen Stellen eine geringe Menge an Betäubungsmittel direkt unter die Haut injizierte. Freunde rieten mir dazu, meinen Laufstil zu ändern, andere warnten mich genau davor. Der eine Arzt entdeckte Asymmetrien in meinem Körper, der andere machte meine Gehtechnik für die Laufprobleme verantwortlich. Schließlich wurde mir eine Sportmasseurin empfohlen, die mir bei ihrer Behandlung nicht nur den einen oder anderen blauen Fleck zufügte, sondern die mir auch vermittelte: Entspann dich doch mal. Ein Tipp, für den auch meine Mitmenschen dankbar waren, die das Wort "Schienbein" nicht mehr hören konnten.

Was am Ende wirkte, weiß ich nicht. Irgendwann im Spätherbst verschwand jedenfalls der Schmerz, ohne dass ich es sofort bemerkte. Egal wie fest ich auf mein Schienbein drückte, es war wieder okay. Was ich gelernt habe: Abends wird gedehnt und gekräftigt, meine Faszienrolle liegt immer bereit. Und das Allerwichtigste: Irgendwann ist der Spaß am Laufen zurückgekehrt. Mit einem Jahr Verspätung bin ich vergangenen Herbst endlich meinen Marathon gelaufen. Komplett schmerzfrei. (Franziska Zoidl, 19.2.2017)