Die Zeit jener alten Männer, die man hierzulande fast liebevoll und immer noch mit einem Hang zur geschmeidigen Untertänigkeit gern "Landesfürsten" nennt, geht zu Ende. Langsam, aber sicher.

Nach 25 Jahren hat sich Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der sein Land wie kein anderer mit einer Omnipräsenz bis in die kleinsten Winkel durchflutet und ein alles durchdringendes Netzwerk der Macht gesponnen hat, verabschiedet. Er wird im März an Johanna Mikl-Leitner – keine Winzerkönigin, aber immerhin seine "Kronprinzessin" – übergeben.

Nach 22 Jahren im Amt hat auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, der allseits geschätzte "Landes-Pepi", seinen Rückzug bekanntgegeben. Auch er hat sein Land stark geprägt, es nachhaltig gestaltet und zuletzt in eine schwarz-blaue Koalition geführt. Pühringer wird seine Agenden im April an Thomas Stelzer, den er selbst noch als "Kronprinz" installiert hat, übergeben.

Und Michael Häupl? Der zaudert und zögert. Alle warten auf seinen Abgang, immer drängender auch die eigenen Parteifreunde. Seit mehr als 22 Jahren ist er als Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann im Dienst – und ein Kronprinz oder gar eine Prinzessin ist bei weitem nicht in Sicht. Häupl hat den Zeitpunkt, da er mit Würde und allen Lorbeeren hätte abtreten können, im Eifer der innerparteilichen Gefechte offenbar versäumt.

Häupl hat seinen Zenit überschritten

Häupl war in der heimischen Sozialdemokratie eine Konstante. Er war der große Macher, bei ihm liefen die Stränge des roten Machtgefüges zusammen. Und er hat für Wien zweifellos viel geleistet. Dass die Stadt so schön, so ruhig und sicher ist, so modern und auch gemütlich, dass es einen guten Wein und eine funktionierende Infrastruktur gibt, ist zum Teil auch sein Verdienst. Aber Häupl hat seinen Zenit überschritten. Der Vierer vorn beim Wahlergebnis ist weg, die FPÖ steht in Wien bei soliden 30 Prozent. Es hätte freilich schlimmer kommen können – ein schwacher Trost.

Die Stadt hat Häupl mit einem undurchsichtigen roten Netzwerk aus Macht, Medien und Geld überzogen, in dem sich Freunde und Freunderln breitgemacht haben und Mittel verwalten, bei denen man nicht unterscheiden kann, ob sie aus der Gemeinde oder der Partei kommen. Wer Auskunft begehrt über die Verstrebungen, Verschränkungen und Abzweigungen der Stadt, ihrer Ressorts und Abteilungen, wird abgewiesen. Transparenz gibt es nicht. Zudem hat sich Häupl mit großzügigen finanziellen Zuwendungen einen Boulevard herangezüchtet, den er und seine Partei mittlerweile kaum noch derreiten.

Die Bilanz ist zwiespältig. Sie wird nicht besser werden, je länger sich Häupl Zeit lässt. Er hat es verabsäumt, einen politischen Nachwuchs großzuziehen oder groß werden zu lassen, der jetzt seine Nachfolge antreten könnte, ohne dass sich die Partei in einem Richtungsstreit aufreibt. Häupl hat hinter sich alle gleich klein gehalten. Das hatten Pröll und Pühringer auch so gepflogen, aber sie haben rechtzeitig eine Lösung gefunden, die ihnen und ihren Landesparteien eine schmerzfreie Übergabe möglich macht.

Diese Lösung hat der Wiener Bürgermeister nicht parat. Er steckt im Zwiespalt: Seine Zeit ist gekommen, das müsste er spüren, das spüren auch andere. Aber er kann nicht gehen, weil er seine Partei ohne integrativen Nachfolger im Chaos zurücklassen würde. Das ist schlechtes Politikmanagement – und Häupls persönliches Versagen. (Michael Völker, 10.2.2017)