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Al Jarreau verstarb im Alter von 76 Jahren.

Foto: AP Photo/Felipe Dana, File

Los Angeles – Den Hinweis, er sei vornehmlich Jazzsänger, wies er immer ein wenig von sich. Und vom Stilstandpunkt aus betrachtet hat Al Jarreau tatsächlich gerne Ausflüge in den Pop unternommen, hat zugängliche Versionen von bekannten Jazzstandards wie Paul Desmonds "Take Five" oder Chick Coreas "Spain" in die Charts getragen. Und natürlich wurzele sein Stil im Soul und im Rhythm & Blues. Allerdings war seine Art zu singen doch nie frei von jenen jazzigen Elementen, die ihn zu Beginn seiner Karriere als Vokalisten auswiesen, der auf raffinierte Art und Weise Zugänglichkeit und Komplexität verband und den Jazzgesang um ein paar Facetten bereicherte, die später ein Bobby McFerrin virtuos weiterentwickeln sollte.

Eine der ersten Einspielungen – "Glow" – enthielt eigentlich sämtliche Ingredienzien seines Stils – und dies wohl in einer Subtilität, die später auf Einspielungen nie mehr erreicht wurde. Da sind Pop, funkiger Soul, Gospel und Bossa – letzterer durch den Jobim-Song "Agua De Beber" vertreten. Jarreau zelebriert hier seine Fähigkeit, perkussiv zu agieren und scattend ganz prägnante Pointen zu setzen. Da ist aber auch Elton Johns "Your Song" in einer subtilen Version, die zeigte, welch unerwartete Zwischentöne Jarreau als Balladensänger diesem Hadern einhauchen konnte.

Rehabilitationshelfer

Geht man zurück in jene Phase, da Jarreau, Pfarrerssohn aus Milwaukee, seinen Stil zu entwickeln begann, fallen unvermutete Umwege auf: Jarreau war Nebenerwerbssänger, gastierte am Wochenende in Clubs in Los Angeles; unter der Woche arbeitete er im Spital als Rehabilitationshelfer. Tradition kannte er: Das Trio Lambert, Hendricks & Ross und Ella Fitzgerald dienten zum Erlernen der Basics, aber ein individueller Stil war das noch nicht. Dazu bedurfte es der Latin-Welt. "Erst als ich Sergio Mendes und Antonio Carlos Jobim hörte, als sie die ganzen Percussionisten brachten, klingelte es bei mir. Ich musste das ausprobieren. Aber mein Stil entwickelte sich erst sehr langsam – auch mithilfe von George Duke, mit dem ich in Clubs spielte", erzählte Jarreau einmal dem STANDARD.

Er wurde schließlich zum Star und auch kommerziell erfolgreich. Das ergab mitunter Jazz für Leute, die eigentlich keinen Jazz hörten, und Pop für Leute, die keinen Pop hörten. Also eine Art Kompromissmainstream. Wobei: Zwischendurch blitzte immer auf, was Jarreau als quasi "instrumentalen" Sänger ausmachte: eine rhythmische Verspieltheit, die Schlagzeug überflüssig machte. Ein Scatgesang, der einstige Bebop-Hitze ausstrahlte – verziert durch jene typischen Jarreau-Klangmodulationen eines souligen Tones. Die Einspielung "Accentuate the Positive" war wieder ein später Versuch, mit dem Great American Songbook etwas zum Jazz und zu souliger Tiefe zurückzukommen, die der Amerikaner in Konzerten über die Jahre hinweg doch immer wieder für Momente aufblitzen ließ. Am Sonntag ist der Stilist Al Jarreau im Alter von 76 Jahren gestorben. (Ljubiša Tošić, 12.2.2017)