Sintra – Du lenkst ein – das Auto kommt irgendwo raus, nur nicht dort, wo es zu erwarten gewesen wäre. Und dann diese Seitenneigung in den Kurven, dieses Aufschaukeln. Du fährst über eine Bodenwelle, unterhältst dich mit den Kollegen an Bord, und krach!, touchiert die Bodenplatte den Asphalt, dass die Funken spritzen. Ein Auto, billig in jeder Hinsicht. Von dem Erwerb wird dringend abgeraten. Das ist der Rio. Das ist historisches Präsens. Denn es ereignete sich um das Jahr 2000 herum bei der Präsentation der ersten Rio-Generation in der Toskana.

Foto: Kia

Der Kontrast zu heute könnte größer kaum sein. In vierter Generation ist der Rio ein Kleinwagen, der sich vor keinem europäischen oder japanischen Konkurrenten verstecken muss, überall befindet er sich auf Augenhöhe mit der arrivierten Gegnerschaft – was inzwischen leider auch für das Kostenkapitel gilt. Die Zeiten, in denen die koreanischen Automobilkonfektionäre die Attraktivität ihrer Gerätschaft vorzüglich über Kampfpreise definierten, sind längst vorbei. Vergessen und vorbei. Dort punktet mittlerweile die Renault-Tochter Dacia.

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Zwischen 12.690 und 20.290 € legt man ab, greift man zum neuen Rio. Dafür bekommt man einen hochmodernen Kleinwagen im Viermetersiebenformat. Und mit dem machen wir jetzt gleich einmal die Gegenprobe. Nicht in der Toskana, sondern im Hinterland von Lissabon, Sintra und Umgebung. Du lenkst ein – das Auto kommt genau dort raus, wo es soll. Überschaubare Seitenneigung. Du fährst über eine Bodenwelle, unterhältst dich mit dem Kollegen an Bord, und ach!, man merkt die Welle kaum. Ein solides Fahrwerk haben die Ingenieure hinbekommen (auch dank leichterer, steiferer Karosserie), straff mit Komforttendenz. Zum Erwerb kann geraten werden. Das ist der Rio heute.

Otto ist begehrt

Was er weiter ist: erhältlich mit vier Motorisierungen. Ein Diesel zum Beispiel stünde an, eine 1,4-Liter-Maschine mit 90 PS, mit 3,8 Litern Normverbrauch auf 100 km zugleich sparsamstes Aggregat. Wird aber keine große Rolle spielen beim Absatz, in dieser Liga greift die Kundschaft lieber zum Otto – doch auch die drei Motoren (mit 84, 100 und 120 PS), die Kia da im Angebot hat, schlagen beim Durst nicht über die Stränge.

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Mit dem Rio kann man durchaus Spaß haben (ja, es kommt sogar was besonders Sportliches Anfang 2018), der Schwerpunkt liegt aber auf Vernunft, ein Changieren zwischen Karneval und Biedersinn, wenn man so will. Mit nunmehr 4,07 m Länge (plus 15 mm) liegt er (wie auch der neue Seat Ibiza, siehe hier) größenmäßig an der oberen Grenze des heutigen Kleinwagenmaßes, das derzeit auf vier Meter plusminus ein bisserl was geeicht ist. Was überrascht, ist der Platz für die hinteren Passagiere, und weil der Kofferraum von 299 auf 325 Liter angewachsen ist, zeigt sich der Rio auch in der Hinsicht durchaus erwachsen.

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Innen bemüht sich Kia um saubere Materialien, denen man den Kostendruck schon, aber nicht allzu sehr anmerkt. Die Horizontale wird betont. Die Instrumente geben keine Rätsel auf, in der Mitte prangt ein großer Infotainment-Touchscreen (fünf oder sieben Zoll), umfassende Konnektivität (hier mit Android Auto und Apple Carplay) gehört längst zum guten Ton, wenn auch noch nicht flächendeckend in dieser Fahrzeugklasse. Enorm auf- und ausgerüstet hat Kia den Neuen auch mit (Sicherheits-)Assistenzsystemen, speziell den Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung hält der Hersteller für erwähnenswert.

Foto: Kia

Das vorhin angedeutete Spiel zwischen Ratio und Emotio zeigt sich auch beim Aussehen. Konzerndesignoberguru Peter Schreyer hat den Rio stilistisch nicht allzu weit vom Vorgänger positioniert – weil flacher, breiter und länger, wirkt er nun aber dynamischer. Deutlich markanter auch die Tigernase an der Front, Erkennungszeichen sämtlicher Kias seit Schreyer-Ära. Und weil der Hyundai-Kia-Konzern weiterhin rapide wächst, soll die Rio-Schnauze auch die Metamorphose vom Kätzchen zum Tiger signalisieren. Ob sich der Schmusecharakter damit verliert? Man wird sehen. (Andreas Stockinger, 16.2.2017)

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Nachlese:

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