Das Dienstverhältnis ist beendet, aber Urlaubstage und Überstunden müssen noch ausbezahlt werden? Wenn sich der Arbeitgeber weigert, können Arbeitnehmer vor Gericht klagen – wenn sie bestimmten Fristen einhalten.

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Ein STANDARD-Leser wendet sich mit einer Anfrage an das Karriere-Team: Vor wenigen Wochen hat er sich einvernehmlich von seinem Arbeitgeber getrennt. Einige Urlaubstage und Überstunden sind noch ausständig. Als er sich erkundigte, wann diese ausbezahlt werden, entgegnete der ehemalige Chef, er solle ihn bitte wissen lassen, was ihm die einvernehmliche Trennung denn Wert sei.

Was kann in so einem Fall unternommen werden? Kann sich der Arbeitgeber weigern, den restlichen Urlaub auszubezahlen? Und kann die einvernehmliche Kündigung sozusagen erkauft werden?

Stephan Nitzl, Partner und Experte für Arbeitsrecht bei DLA Piper Weiss-Tessbach in Wien, betont, dass es in Sachen Resturlaub und Überstunden bei Verlassen des Arbeitgebers auf sehr viele Details ankommt. "Grundsätzlich muss offener Urlaub aus dem laufenden Jahr anteilig ausbezahlt werden, offener Urlaub aus vergangenen Jahren ist zur Gänze auszuzahlen." Das gelte übrigens auch für All-in-Verträge.

Kein Urlaubszwang

In der Praxis ist entscheidend, was in der einvernehmlichen Beendigungsvereinbarung steht. "Wenn hier festgehalten wurde, dass sämtlicher Resturlaub in der Periode X/Y konsumiert wird, dann besteht zum Ende des Dienstverhältnisses kein zusätzlicher Anspruch mehr", sagt Nitzl. Ebenso könnte durch eine sogenannte Generalbereinigungsklausel vereinbart sein, dass außer den in der Auflösungsvereinbarung erwähnten Ansprüchen keine weitere bestehen.

Sollte ein Arbeitnehmer im Nachhinein dennoch Urlaub und Überstunden einfordern wollen, auf die er seines Erachtens noch Anspruch hätte, wird er vor Gericht erklären müssen, warum er dieser Klausel zugestimmt und nicht bereits zuvor diese Ansprüche in die Auflösungsvereinbarung hineinreklamiert hat. Sollte allerdings in diesem Zusammenhang unzulässiger Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt worden sein, hat er gute Chancen, trotz dieser Generalbereinigungsklausel seine Ansprüche zugesprochen zu bekommen.

Allerdings: Auch während der Kündigungsfrist muss der Urlaubsverbrauch immer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Einseitig darf der Arbeitgeber Urlaub nicht anordnen, selbst wenn er den Arbeitnehmer dienstfrei stellt – somit können solche Vereinbarungen vom Arbeitnehmer abgelehnt werden. Wichtig ist in so einem Fall sofort zu widersprechen und schriftlich zu erklären, dass man arbeitsbereit ist. Vor Gericht kann auf diese Weise bewiesen werden, dass man mit dem Urlaubsverbrauch nicht einverstanden war.

Kein Zwang zu einvernehmlicher Auflösung

Ganz allgemein würden Auseinandersetzungen wegen zu vieler Überstunden oder Resturlaubs meist nur vor Gericht landen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, sagt Nitzl. Gibt es keine Generalbereinigungsklausel oder andere Vereinbarungen, haben Arbeitnehmer jedenfalls gute Chancen, die Auszahlung vor Gericht einzufordern. "Zu beachten ist da allerdings die sogenannte Verfallsfrist, in der sich Arbeitnehmer bezüglich des Anspruchs beim Arbeitgeber melden und diesen geltend machen müssen", fügt Nitzl hinzu. Diese kann entweder durch den Kollektivvertrag vorgegeben oder im Dienstvertrag festgelegt sein. In vielen Fällen seien dies vier bis sechs Monate.

Verfallsfristen haben den Hintergrund, dass insbesondere Ansprüche auf Überstunden zu einem Zeitpunkt erhoben werden müssen, zu dem es für den Arbeitgeber noch nachprüfbar ist. Es ist allerdings nur erforderlich, dass die Ansprüche innerhalb der Verfallsfrist dem Arbeitgeber schriftlich zur Kenntnis gebracht werden, es muss nicht auch sofort geklagt werden – hierfür bleibt einem dann die sogenannte Verjährungsfrist von drei Jahren ab Entstehen des Anspruches.

Bezüglich der vom Leser erwähnten Aussage des ehemaligen Chefs, wie viel die einvernehmliche Auflösung Wert sei – also wie viele Urlaubstage oder Überstunden ihm der ehemalige Arbeitnehmer dafür "schenkt" –, entgegnet Nitzl: "Die Zustimmung ist für beide Seiten freiwillig. Niemand kann gezwungen werden, einer einvernehmlichen Lösung zuzustimmen." (lhag, 15.2.2017)