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PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski will Polen "orbanisieren". Kritiker sind nicht willkommen.

foto: reuters/pempel

Die deutsche Hauptstadt feiert gerade die alljährliche Berlinale ab, Hollywood schmückt sich demnächst mit der Oscarverleihung, und auf der politischen Bühne rittern westliche Politiker um "den besten Darsteller" in der Serie "To Hell with Democracy": Schluss mit Menschenrechten, mit Medien- oder gar Informationsfreiheit, stattdessen Applaus für den neuen Joker namens "Alternative Fakten".

"Nun haben wir Budapest und Warschau auch in Washington", denkt sich heute manch redlicher US-Bürger. Hier wie da wie dort kam eine nationalistische Politiker-Kaste mit ausgeprägtem Hang zu Autokratie ans Ruder. Gemeinsam ist ihnen offenbar das Ziel, den bisherigen demokratischen Strukturen ihrer Staaten den Garaus zu machen.

Budapest in Warschau

"Jetzt haben wir Budapest in Warschau" betitelt die polnische Journalistin Ewa Siedlecka bereits 2015 einen Artikel über ein damals geplantes Gesetz, das die Unabhängigkeit polnischer Verfassungsrichter unterminieren sollte. Siedlecka ist seit vielen Jahren Redakteurin der traditionell liberalen, politisch unabhängigen Zeitung "Gazeta Wyborcza", der zweitgrößten überregionalen Tageszeitung Polens. Chefredakteur ist nach wie vor der legendäre Journalist Adam Michnik.

1989 wurde die "Gazeta Wyborcza" – zu Deutsch die Wahlzeitung – als Blatt der damaligen Gewerkschaftsbewegung Solidarność gegründet, als regierungsunabhängiges Medium und damit als damaliges Hoffnungszeichen für einen demokratischen Frühling in Polen. Am 8. Mai erschien damals die erste Ausgabe, genau ein halbes Jahr und einen Tag vor dem Berliner Mauerfall. 1989 ist auch das Jahr, in dem Ewa Siedlecka Redaktionsmitglied der "Gazeta Wyborcza" wurde.

Am Abend des 14. Februar erhält nun Siedlecka von Reporter ohne Grenzen Österreich im Wiener Presseclub Concordia den "Press Freedom Award 2016 – A Signal for Europe" verliehen. In einer anschließenden Diskussionsrunde unter der Leitung von Erhard Stackl wird sie über die aktuelle Mediensituation in Polen berichten.

Kritische Journalisten nicht erwünscht

Eines steht fest: Gut gelitten sind kritische Journalisten derzeit in Polen nicht. Erst kürzlich berichtete das deutsche Medienmagazin "Zapp" (NDR) über Angriffe auf staatsunabhängige Medien. Der private Sender TVN hatte über rassistische Unruhen berichtet. Während des Aufmarsches der Nationalisten ging plötzlich der TVN-Übertragungswagen in Flammen auf. Der öffentlich-rechtliche Sender TVP hatte darauf verzichtet, über diese rassistischen Ausschreitungen zu berichten. Innenminister Mariusz Błaszczak dürfte damit zufrieden gewesen sein.

Mehr als 200 Journalisten haben seit der Machtübernahme der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt verlassen – ob freiwillig oder nicht, sei dahingestellt. Kritische Seher und Hörer meinen, die TVP-Informationssendungen erinnerten bisweilen an Propagandaberichterstattung. Ein Abgeordneter der Regierungspartei hatte darüber hinaus versucht, mithilfe einer Unterschriftenaktion dem Privatsender TVN die Sendelizenz zu entziehen.

Wirtschaftlicher Druck

Und die "Gazeta Wyborcza", wie geht es dieser Zeitung unter der PiS-Regierung? Sofort nach dem Regierungswechsel, berichtet Tom Fugmann in der TV-Sendung "Zapp", wurden alle Abonnements öffentlicher Ämter und Gerichte aufgekündigt, Staatsbetriebe inserierten nicht mehr, Beamte wählen inzwischen andere Zeitungen für die Todesanzeigen von Familienmitgliedern und Freunden. Das Blatt wird wirtschaftlich unter Druck gesetzt.

Kurz vor Weihnachten demonstrierten zudem Nationalkonservative unter der Leitung eines Priesters vor dem Redaktionshaus der Zeitung. Der Geistliche erging sich in exorzistischen Ritualen, um polenfeindliche Dämonen zu vertreiben, die da sind: EU, islamistischer Terror, Gender, Multikulti. KKK, der Ku-Kux-Klan, hätte sicherlich seine wahre Freude an diesem Spektakel gehabt.

Orbanisierung

Ewa Siedlecka ist innerhalb der Redaktion die Expertin für Verfassungsrecht. Aufgrund ihres jahrelangen Engagements für Menschenrechte gilt sie vielen als Vorbild für Journalisten. Für den Preis von Reporter ohne Grenzen Österreich wurde sie übrigens von der Helsinki-Föderation für Menschenrechte vorgeschlagen. Eingereicht hatte sie auch den Artikel "Jetzt haben wir Budapest auch in Warschau". Der Satz ist übrigens, wie sie schreibt, eine Schöpfung von Jarosław Kaczyński, der grauen Eminenz der Regierungspartei PiS. Er hatte diese Entwicklung, bekannt auch als Orbanisierung, schon im Voraus als eines seiner Ziele angekündigt. Quod erat demonstrandum. (Rubina Möhring, 13.2.2017)