Tunis/Berlin – Tunesiens Ministerpräsident Youssef Chahed sieht keine Möglichkeit für Auffanglager für Flüchtlinge in seinem Land. Der Zeitung "Bild" vom Dienstag sagt Chahed auf die Frage, ob er sich entsprechende Asylzentren in Kooperation mit Europa vorstellen könne: "Tunesien ist eine sehr junge Demokratie, ich denke nicht, dass das funktionieren kann und wir für Flüchtlingscamps hier Kapazitäten haben. Es muss eine Lösung zusammen mit Libyen gefunden werden. Das ist der einzige Weg."

Chahed trifft Dienstagmittag in Berlin die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Diese hatte angekündigt, mit ihm über die Möglichkeit von Auffanglagern zu sprechen.

Tunesien brauche Beweise

Auf die Frage, ob Tunesien künftig abgelehnte Asylwerber aus Deutschland schneller zurücknehmen wird, sagte Chahed: "Die Kooperation mit Deutschland funktioniert schon jetzt sehr gut. Aber wir brauchen eben von den deutschen Behörden auch klare Beweise, dass es sich wirklich um Tunesier handelt." Einwanderer, die falsche Papiere nutzten, würden den Prozess manchmal erschweren und verlängern.

"Wenn wir über Tunesier in Deutschland sprechen, dann geht es da aber derzeit um eine sehr geringe Zahl von vielleicht 1.000 Menschen. Das größte Problem für Europa sind die Flüchtlinge, die aus Libyen nach Italien aufbrechen", sagte Chahed.

Tunesien stellte keine Papiere für Amri aus

Tunesien steht auch deswegen im Fokus, weil der Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri von dort kam. Er sollte in seine Heimat abgeschoben werden, was aber scheiterte, da die tunesischen Behörden zunächst keine Passersatzpapiere ausstellten.

Chahed wies Fehler seiner Behörden in dem zurück. "Eines muss ich ganz klar sagen: Die tunesischen Behörden haben keine Fehler gemacht", sagte er. Amri hatte kurz vor Weihnachten einen Lastwagen auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert, wobei zwölf Menschen starben. "Als Amri 2011 Tunesien verlassen hat, war er kein Terrorist, es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich radikalisieren würde." (APA, 14.2.2017)