Zum Glück ist dort, wo es zählt, immer jemand mit dem Handy in Ruf- oder Griffweite. In diesem Fall – vergangenen Sonntag im Wiener Prater – Alexander Rüdiger. Denn ohne den "Moneymaker" müssten Monika Kalbacher und ich auf dieses Erinnerungsfoto verzichten. Und bei aller Häme über Selfies und die Eitelkeit der darauf Abgebildeten wäre das traurig: Kalbacher war keine Minute, bevor dieses Bild entstand, als schnellste Frau des Tages über die Halbmarathonziellinie der VCM-Winterlaufserie gekommen. Und ich hatte – praktisch zeitgleich – meine persönliche Halbmarathonbestzeit um mehr als sechs Minuten verbessert: Auch wenn Spitzenläufer die Halbdistanz eine halbe Stunde schneller als ich schaffen, sind Kalbachers 1:34:32 und meine 1:33:54 etwas, worauf man – subjektiv – stolz sein darf. Also waren wir froh, dass Rüdiger zur richtigen Zeit am richtigen Ort war – und abdrückte.

Foto: Alexander Rüdiger

Normalerweise ist das ja mein Job: Ein Kollege von der "Presse" meinte einmal, ich sei bei Laufevents leicht zu finden: "Dort, wo mitten im Feld einer den Arm nach oben streckt." So falsch ist das nicht: Auch am Sonntag war ich mit der Actioncam in der Hand gestartet – und hatte Lauf, Umfeld, Läuferinnen und Läufer im Visier. Aus dem Handgelenk – aber nicht versteckt: Meine Mitläuferinnen und Mitläufer vom "Team Ausdauercoach" (neben Monika Kalbacher diesmal wieder Jacqueline Kallina und Daniel Stöckl) wussten, dass ich sie "abschießen" würde – oder es zumindest vorhatte. Nur leider spielte ausgerechnet diesmal die Kamera nicht mit.

Thomas Rottenberg

Das war nicht nur wegen des Laufergebnisses doppelt blöd: Die Kamera ist nämlich neu. Die Leute von Gopro, dem Markt- und Themenführer im immer noch boomenden Segment der Actioncams, hatten mir wenige Wochen zuvor die neueste Kleinkamera aus ihrem Sortiment zum Testen geschickt: War ich bisher mit meiner eigenen "Hero Session" unterwegs gewesen, sollte es nun eben eine Testkamera sein: die "Hero Session 5". Äußerlich ident mit dem Vorgängerwürfel, innen aber im Vergleich zum älteren Bruder dann doch deutlich aufgemotzt: Die Fünfer lässt sich nicht nur per Sprachsteuerung aktivieren oder ausschalten, sie kann auch deutlich mehr als die minimalistische Vorgängerin: Einzelbilder, Serienbilder, 4K-Video und dergleichen etwa. Außerdem hat sie einen Nachtaufnahmemodus, kann Video und Foto kombiniert aufnehmen – und macht, eh klar, mit einem lichtstärkeren Sensor und schnellerer Elektronik größere Bilder: Statt 8 MP sind es nun 10. Und das mit der gleichen No-Firlefanz-Einknopf-Automatik.

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Letzteres ist neben der kompakten Form das, was die "Session", seit sie auf dem Markt ist, zur Sport-Cam meiner Wahl gemacht hat: Wenn ich laufe (oder sonstwas mache) will ich nicht über das Bildermachen an sich nachdenken: Ein kurzer Knopfdruck bedeutet Video – ein langer aktiviert den Foto-Dauerfeuer-Modus. Ein Bild pro halbe Sekunde. Vollautomatisch.

Ich mache keine Videos: Das Schneiden ist mir zu langwierig – und Videos funktionieren nur bei fließenden Bewegungen gut. Bei Laufvideos aus der Hand wird man seekrank. Fotos gehen aber: Hat man einmal behirnt, dass die "Session" drei bis vier Sekunden braucht, bis sie "aufwacht" und zu arbeiten beginnt, ist der Rest Routine: Rotte rennt – Kamera knippst. Und aus. Dass von 1.500 Bildern dann 20 bis 30 Aufnahmen weder verwackelt noch verschwommen sein werden, ist weniger eine Frage des fotografischen Könnens als der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Speicherplatz kostet nix, das Hochladen geht automatisch, während ich dusche – und das erste Filtern von 1.500 auf 100 Vielleichtbilder dauert mit einem Hauch Übung keine zehn Minuten.

Thomas Rottenberg

Mit der Gopro zu fotografieren ist keine Kunst. Der archaisch-brutale Vergleich lautet, dass ein "echter" Fotograf wie ein Scharfschütze auf den richtigen Moment für den richtigen Schuss bei den richtigen Bedingungen wartet, während ich eben mit der Pumpgun losmarschiere. Oder die Kamera – schützenminenartig – irgendwo abstelle. Insbesondere bei subotimalen Lichtverhältnissen: Die Automatik der Kamera gibt vor, dass so lange belichtet wird, bis der Sensor der Meinung ist, nun eben genug Licht für ein Bild beisammen zu haben. So entstehen dann – wie etwa hier im tschechischen Marienbad bei einem Morgenlauf durch den Kurpark und das kakanisch-morbide Städtchen um sechs Uhr früh – mitunter wirklich nette "Geisterfotos", die sich nicht wirklich planen lassen. Obwohl man mit der Zeit eine Idee davon bekommt, wie die Fotos wohl in etwa aussehen könnten.

Thomas Rottenberg

Und genau hier wird für mich dann der Unterschied zwischen den beiden Kameras relevant: bei der Lichtstärke. Da könnte man mit Zahlen und technischen Angaben vermutlich viel erklären – aber der direkte Vergleich ist wohl noch einfacher: Wenn man die beiden Kameras in der Nacht nebeneinander auf den Boden legt (etwa auf der Prater Hauptallee) und sie im identen Standard-Modus einschaltet, trennt sich hier auch bei allen anderen Actioncams die Spreu vom Weizen. Wenn man dann (was hier nicht geschah) noch versucht, in die Bilder ein wenig hineinzuzoomen, erkennt man auch bei anderen als den Kameras vom Marktführer sehr rasch, dass die hochwertigen Kameras meist mehr Geld kosten – aber deswegen nicht zwingend teurer sein müssen als Spielzeug, das in der Anschaffung zwar billig ist, aber nicht kann, was man sich eigentlich davon erwartet.

Foto: Thomas Rottenberg

Wobei das so natürlich nicht stimmt: Die Fünfer hat ihre Macken. Das merkte ich recht schnell. Dass die Kamera mehr kann als ihre Vorgängerin, ist unbestritten. Gefühlt – aber das kann auch der Kälte des Jänners geschuldet gewesen sein – hält der Akku deshalb weniger lang als jener der Vorgängerin. Das macht es im Gegensatz zu ganz deppensicher zu bedienenden, supereinfachen No-Firlefanz-Geräten aber eben auch möglich, irgendwas an dem Teil zu verstellen. Und zwar ohne dies zu bemerken.

Thomas Rottenberg

Wenn man dann bei Kilometer 15 eines Halbmarathons voll auf Anschlag unterwegs ist und beim Versuch, die Kamera zu aktivieren, merkt, dass sich das Teil aus irgendeinem Grund so aufgehängt hat, dass man es weder ein- noch ausschalten kann – auch mit mehrmaligem Rausnehmen und Wiedereinsetzen der nicht einmal kleinerfingerfingernagelkleinen Speicherkarte (versuchen Sie das mal bei einer 4’30"er Pace und einem 175-er Puls …) –, trübt das die Freude an dem neuen Spielzeug doch ein klein wenig.

Freilich: Auch die Vierer hat sich hin und wieder aufgehängt. Aber halt nicht in Situationen, in denen ich nicht stehenbleiben und so lange sämtliche Knöpfe gleichzeitig drücken kann, bis das Ding sich auf seine Werkseinstellungen zurücksetzt oder sich sonstwie in sein Schicksal fügt und wieder spurt.

Dass die Testkamera gerade in dieser Situation streikte, fällt also wohl unter "blöd gelaufen".

Foto: Thomas Rottenberg

Und auch wenn Alexander Rüdiger hinter der Ziellinie dann mit dem Smartphone die Situation rettet, ändert das nichts daran, dass ich unterwegs trotzdem lieber mit Gopro, Virb und Co arbeite als mit "echten" Fotoapparaten oder dem Handy: Weil ich auf die alle paar Wochen auf Facebook gestellte Frage, ob ich denn wirklich mein Handy in den Schnee oder den Schlamm lege und dann den Selbstauslöser betätige, zwar hin und wieder mit "na klar, anders geht das eben nicht" antworte – ich aber ich zum einen eben doch sehr genau weiß, wie Handys (und "echte Kameras") auf Kälte, Nässe, Staub, Hitze, Schläge und Dreck reagieren und mich zum anderen auch gern überraschen (oder unterwegs nicht ablenken) lasse: Was da tatsächlich auf dem Bild ist, sehe ich eben erst zu Hause. Das hilft, den Kopf klar zu behalten – und das ist mitunter auch ein Stück Sicherheit.

Foto: Alexander Rüdiger

Natürlich können Sie jetzt auch das Standardargument auspacken: dass es beim Sportmachen doch eigentlich um den Sport und nicht die Dokumentation und das Prahlen mit der eigenen Leistung gehen sollte.

Jo eh: eigentlich.

Aber in solchen Momenten zitiere ich dann ganz gern meine Nichte, die – damals 13 oder 14 Jahre alt – angesichts irgendeiner onkelhaften Weisheit von mir einst nur genervt die Augen verdrehte und mir ein vernichtendes Verdikt an den Kopf warf: "Tom, du bist echt sowas von 20. Jahrhundert …" Das kam vollkommen ironiefrei.

Oder aber ich erzähle eine letzte kleine Bildergeschichte: Als ich vor ein paar Wochen das erste Mal im Dusika-Stadion Tempoeinheiten lief und in den Pausen dazwischen ein paar Bilder machte, sprach mich einer, der dort auf einem ganz anderen Level als ich trainiert, an: dass das Selfiemachen "typisch Hobette" sei. Und er das als seriöser Sportler zutiefst ablehne.

Als ich dann nach Hause gekommen bin, hatte ich vom gleichen Athleten schon eine Mail in der Box: Falls ich ihn irgendwo auf meinen Fotos mit drauf hätte, möge ich ihm doch – bitte – das Bild schicken. Für seine Wall. Für seine Sponsoren. Und auch einfach so: "Du weißt es eh: Heute gilt halt 'Pics – or it did not happen …'". (Thomas Rottenberg, 15.2.2016)


Die getestete Kamera wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Offizieller Listenpreis: 329,99 €. Das Vorgängermodell kostet 229,99 €.

Mehr Geschichten vom Laufen gibt es unter derrottenberg.com zu lesen.

Foto: Thomas Rottenberg