Die dunkle Seite der Suppe: Im neuen Mochi am Wiener Vorgartenmarkt gibt es Ramen der teuflisch guten Art.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Eine Schüssel, die den mieselnden Februar-Menschen wie nix wieder gefechtsbereit macht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Man kann argumentieren, dass die Mochi-Truppe um Edi Dimant und Tobi Müller ihren Riecher für das nächste große Ding einmal auslüften sollte. Wer 2017 eine Ramen-Bar aufsperrt, der hat den Trend nämlich verschlafen. Die japanische Suppe mit den einzigartig bissfesten Nudeln, der komplexen Zusammensetzung aus verschiedenen Brühen, Würzbasen, mehr oder weniger pikanten Ölen und allerhand Toppings wird etwa in den USA seit mehr als 15 Jahren gehypt. Auch in Wien widmen sich inzwischen mehrere Hütten mit mehr oder weniger Verve der tollen Suppe.

Man kann aber auch argumentieren, dass es den Mochis eh nie um Trends gegangen ist. Sondern um die Lust auf unkomplizierte, präzise auf Geschmack und Leichtigkeit fokussierte, kosmopolitische Küche. Und um zeitgemäßen, mit dem Gast auf Augenhöhe kommunizierenden, vom Spaß an der Freude befeuerten Service.

Betina Lutterotti in der Küche

Ramen passt da insofern gut, als die Suppe für Vielfalt, expressives Geschmackserlebnis und Leichtigkeit steht – so sie nicht gerade mit fettem Schwein als Einlage serviert wird. Damit sich das auch ausgeht, steht mit Betina Lutterotti ein echtes Kaliber in der Küche. Die junge Frau kann nicht nur fantastisch kochen, sie hat auch extensive New-York-Erfahrung im Talon, wo sie zuletzt für die legendäre Gramercy Tavern von Restaurant-Goldfinger Danny Meyer (aktuell 13 Restaurants und Bars in NYC) werkte und etwa die Charcuterie-Abteilung in Alleinverantwortung aufbaute – vom Wursten bis zum Einsuren und Lufttrocknen von massivem Speck und Schinkenkeulen.

Ein Blick in die offene Küche genügt, um zu sehen, dass Lutterotti auch als Suppenköchin mit Ernst bei der Sache ist. In 100-Liter-Töpfen mit Zapfhähnen in Bodennähe blubbern da die Brühen (vier verschiedene!) vor sich hin – bis zu 24 Stunden, um wirklich alle Kraft und Würze aus Muschel und Alge, Schwein und Pilz, Huhn und Wurzel zu ziehen. Und was für Brühen das sind: Wirkt jene für den "Clam Ramen" mit frischen Venusmuscheln, knackigen und zu feiner Julienne geschnittenen asiatischen Pilzen, Jungzwiebel und einem berückend aromatischen Pulver aus gedörrten Muscheln bei aller Kraft auch zart und fein gewoben, so haut die aus Schweinsknochen und getrockneten Pilzen gezogene Tonkotsu-Brühe richtig in die Vollen. Unbändige Power, massive Umami-Aromen, mollig-rauchige Würze – eine Schüssel, die den mieselnden Februar-Menschen wie nix wieder gefechtsbereit macht.

Eier und Nudeln

Dabei sind die Brühen nur ein Teil der Prozedur: Die auf vergnügliche Art schlutzigen, wunderbar bissfesten Nudeln werden in einer eigens importierten, bemerkenswert komplizierten Maschine täglich frisch gemacht; außerdem muss Schweineschopf ("Chashu") mariniert, gebraten, aufgeschnitten werden; die kernweich gekochten, geschälten Eier in Nitama-Dressing ziehen gelassen und schließlich diverse Tare-Würzbasen abgeschmeckt und pikante Öle angesetzt werden.

Mehr als einen Suppentopf will und kann man auf einmal nicht leer schlürfen, auch wenn einem die schiere Klasse dieser komplexen Kompendien größte Lust darauf macht. Ein paar Tapas vorneweg müssen aber sein: süsssauerscharfwürzige, knusprig frittierte Calamari-Ringerln etwa. Oder frisch-aromatischer Gurkensalat aus groß geschnittenen Gurken, die vor dem Marinieren mit einem Prügel bearbeitet werden ("Smashed Cucumbers"), um mehr Aroma aufnehmen zu können. Oder "Dirty Wings" mit wahrhaft dreckiger Salsa, die diese Hendlflügel aus dem Stand in eine ganz eigene Liga katapultiert. Man muss halt bald wiederkommen. Reservieren geht aber nicht. Ist schließlich eine Suppenküche, kein Restaurant! (Severin Corti, RONDO, 17.2.2017)

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