"Sei nicht sauer, meine kleine Grapefruit, ich schmecke immer noch nach Fruit Juice." Die oberösterreichische Erfolgsband Bilderbuch feiert zwischen Goldketterln, Prince, Falco und Ballaballa-Lyrik auf ihrem Album "Magic Life" einmal mehr das Leben in der Großraumdisco.

Foto: Elizaveta Porodina

Wien – Wenn man öfter mit Teenagern diskutieren muss, weil man zum Beispiel die Meinung vertritt, dass erwachsene Menschen nicht herumlaufen sollten, als wären sie aufgepumpte Kindergartenkinder in bunten, glitzernden Strampelanzügen und mit Schuhen, in denen man einen gemütlichen Stand hat und die man nicht immer binden muss, hat man natürlich keine Chance. Erstens haben Teenager bezüglich Popmusik immer das Recht auf ihrer Seite. Der Laden funktioniert nun einmal seit 60 Jahren so. Zweitens gilt würdelose Vorschulkleidung mit modischen Anleihen im Da-bleib-ich-kühl-kein-Gefühl-, Karottenjeans-, Schmalztopffrisuren- und Schulterpolster-Jahrzehnt der Großraumdiscos und jungen Römer derzeit als heißer Scheiß.

Apropos Falco. Der zumindest in den späten 1980er-Jahren speziell auch auf dem eher der milden Neuigkeit als dem wilden Trendsetting verpflichteten Land umgehende Held aller VW-Golf-Fahrer, der kommendes Wochenende seinen 60. Geburtstag hätte feiern können, war immer schon eine sichere Bank. Sänger Maurice Ernst ist dem Vernehmen nach tatsächlich in einer von seinen Eltern betriebenen Diskothek auf dem Land aufgewachsen.

Wahnsinnssuperduperfunky-Goodgoodtime

In der Welt der aus der oberösterreichischen Klosterschule Kremsmünster stammenden Band Bilderbuch gilt aber ab der Matura selbstverständlich im zweiten Bildungsweg eine einst von John Cale und Lou Reed besungene Weisheit: "There's only one good thing about small town / You know that you want to get out."

Wo früher auf den Bilderbuch-Alben Nelken & Schillinge (2009) sowie Die Pest im Piemont (2011) netter bis halbdüsterer, gut gebastelter, allerdings verhaltensunauffälliger Tschingeltschängel-Indiepop der englischen Schule in Studentenkellern zwischen Bruck an der Leitha und so weiter geboten wurde, regiert seither dank der Jahrzehntnummer Maschin die Wahnsinnssuperduperfunky-Goodgoodtime: "Steig jetzt in mein Auto / Steig jetzt in mein Auto ein / Sieben Türen, 70 PS, vorne geht der Wind so sehr."

BILDERBUCH

Bilderbuch haben sich mit harter Arbeit, Mut zu würdeloser Kleidung im Geiste des Märchenprinz und der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (inklusive der Bekenntnisfarbe Blond und empfängnisverhütender Flinserl und Goldketterl) zur fixen Größe im Festivalzirkus des deutschsprachigen Raums hinaufgespielt.

Die Mischung aus Falco sehr nahe stehender Ballaballa-Lyrik im schicken Neusprech Denglisch, käsigen Spielautomatenlokal- und Tagada- und Autodrom-Melodien für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne sowie langem Bildschirmatem, ein wenig Hip-Hop, Funk und zünftigem Opel-Kadett-Sound aus der Schule des zünftigen Bauernrock ging bei den jungen Leuten ab 2015 ure und voi eini, wie man so sagt, wenn man nicht in Döbling, sondern draußen im Gemüse maturiert hat.

Landdisco und Purpurregen

Das hinter Bilderbuch stehende Produktionsteam hat nach dem damaligen Erfolgsalbum Schick Schock und anderen tollen Songs wie Barry Manilow, Plansch oder Softdrink nun noch einmal die Schrauben nachgedreht. Die Lieder des neuen Albums Magic Life schreien mit derartiger Unerbittlichkeit nach Landdisco, Rüscherl-, Bonanza- und Fetzi-Fetzen, dass die Gitarre gleich einmal so jaulen muss wie einst beim zweiten großen Vorbild Bilderbuchs. Prince, Prince, Prince! Der leistet Trauerarbeit mit verzerrtem Halb-Feedback und jeder Menge schmieriger Phaser-, Flanger- und Harmonizereffekte. Er hört die Möwen im Purpurregen weinen – und er möchte, dass alle Leute darüber total crazy werden. Bei Bilderbuch bricht sich Prince seine Bahn zu Falco: "Du weißt, mir wird so schrecklich heiß in Wien / Eh, Wien. Ja, Wien / Es zieht mich über Grenzen / Fort hin, wo alles geht / Du weißt, ich muss weg, ja / Du weißt, der Success, ja / Sei nicht sauer, meine kleine Grapefruit / Ich schmecke immer noch nach Fruit Juice."

Das Lied nennt sich Erzähl deinen Mädels, ich bin wieder in der Stadt. Abgesehen vom wirklich berückenden und seit Wochen sogar auf dem Guddelaune-Hitradio totgespielten Funkyfunky- und Plemplem-Hit Bungalow ("Ich brauch' Power für mein' Akku / Keine Power in mein' Akku / Baby, leih' mir deinen Lader / Komm, bitte leih' mir deinen Lader") zeichnen sich die zwölf Stücke von Magic Life allerdings vor allem durch ein Charakteristikum aus:

Turnschuh-Soul

Zwischen den Zeilen entsteht mit Autotune-Gesang für eine Generation, die Musik bevorzugt aus den Blechlautsprechern ihrer Taschentelefone hört, eines: Es entsteht eine gewisse, speziell im Wiedererkennungswert beheimatete Leere. Sie kann in Liedern wie der nach einem Werbeeinsatz winselnden Turnschuh-Soul-Hymne Sneakers4free, Sprit n' Soda, der Superfunkypartytime oder Baba 2 trotz mehrmaligen Hörens keine für Pop absolut nötige emotionale Bindung herstellen. Dumme Sache für eine Bubenband, die Frauen versteht, obwohl der DJ die Anlage wieder viel zu laut aufgedreht hat: "Ihr Brand ist second hand / Wie früher A-a / sag leise baba." (Christian Schachinger, 15.2.2017)