Susana Bejarano wurde selbst von ihrem Expartner geschlagen. Ihr achtjähriger Sohn holte damals die Polizei. Nun engagiert sich die 46-Jährige für mehr Schutz für Opfer häuslicher Gewalt.

Foto: Reiner Wandler

"Terrorismus" ist das Wort, das Susana Bejarano am meisten benutzt. Die 46-jährige Mutter zweier Söhne meint damit nicht etwa den radikalen Islamismus oder die baskischen Separatistenorganisation ETA, sie redet von häuslicher Gewalt. "Im vergangenen Jahr wurden in Spanien 105 Frauen von ihrem Partner oder ihrem Expartner ermordet, und seit Jahresbeginn sind es schon wieder 16", verweist sie auf die traurige Statistik. Die dabei ebenfalls ums Leben gekommenen Kinder wurden nicht mitgezählt.

Zusammen mit weiteren fünf Frauen ist Bejarano seit einer Woche im Hungerstreik. "Wir wollen, dass die Politiker endlich etwas gegen diesen Femizid unternehmen", sagt sie und fordert einen "Krisenstab gegen geschlechtsspezifische Gewalt". Alle sechs Frauen wurden selbst Opfer der Brutalität ihrer Expartner und gehören der Selbsthilfeorganisation Ve la Luz (Sieh das Licht) an.

Namen der Opfer

Sie haben auf der Madrider Puerta del Sol einen notdürftigen Unterstand errichtet. Tagsüber dient die Bude als Infostand. Nachts schlafen die Frauen darin. Vor dem Stand haben sie mit roten Schuhen ein riesiges Friedenszeichen ausgelegt. Auf Kartons stehen die Namen ermordeter Frauen. Das Symbol der roten Schuhe kommt aus Mexiko, wo tödliche Gewalt gegen Frauen ebenfalls brutaler Alltag ist.

Bejarano, Angestellte in der Behindertenbetreuung, durchlebte 15 Jahre die Hölle der häuslichen Gewalt. "Von meinem 18. bis zu meinem 33. Lebensjahr gehörten psychische Misshandlung und Schläge zum Alltag", erinnert sie sich. Bis ihr Partner sie eines Tages bewusstlos schlug. "Es war mein achtjähriger Sohn, der die Polizei rief." Dann brachte sie endlich den Mut auf, sich zu trennen.

Unterschriften für ein Gesetz

Der Infostand ist gut besucht. Vor allem Frauen halten inne, hören zu, berichten von eigenen Erfahrungen. "Das hat nichts mit der sozialen Schicht zu tun. Häusliche Gewalt gibt es überall", meint eine der Frauen. Eine Lehrerin berichtet: "Das geht schon sehr früh los. 14-jährige Mädchen, die keinen kurzen Rock tragen, weil ihr Freund das nicht will. Eine Schülerin verteidigte mir gegenüber die ständige Überwachung durch ihren Freund: 'Wenn er nicht eifersüchtig ist, liebt er dich nicht!'" – "Schreiben Sie: Das passiert hier in Spanien mitten in Europa und nicht irgendwo in einem unterentwickelten Land", erhebt eine ältere Dame ihre Stimme, dreht sich um und geht.

Die sechs Frauen auf Sol sammeln Unterschriften unter einen 25-Punkte-Katalog. "Wir wollen ein umfassendes Gesetz für einen besseren Schutz der Frauen und bessere Programme zur Unterstützung der Opfer", erklärt Bejarano. Ihr liegen besonders die Kinder am Herzen. "Mein Kleiner war damals drei Jahre alt. Er redete nicht", berichtet sie. Erst nach der Trennung lernte er das Sprechen. "Die Kinder sind meist völlig traumatisiert und brauchen Betreuung", die es bisher nicht gebe. "Die konservative Regierung redet ständig von den Opfern des Terrorismus, dabei hat ETA vor Jahren die Waffen niedergelegt. Wir wollen einen Status, der dem der Opfer des Terrorismus vergleichbar ist", fordert Bejarano.

Kritik: Zu wenig Opferschutz

So weit ist es noch lange nicht. Im Parlament soll ein Pakt zwischen allen Parteien unterzeichnet werden, um dann gemeinsam nach Maßnahmen zu suchen. "Die Unterschrift wurde von April auf Juni verlegt", ist Bejarano empört. Bis dann etwas geschieht, soll erst einmal eine Parlamentskommission Sachverständige und Opfer anhören. Die Frauen auf der Puerta del Sol hat bisher noch kein Politiker besucht.

Was die Hungerstreikenden und die Besucher des Standes am meisten empört, ist der fehlende Schutz der Opfer. Seit 2004 gibt es ein erstes Gesetz zum umfassenden Schutz gegen geschlechterspezifische Gewalt. Nur genutzt hat es wenig. Jahr für Jahr steigt die Zahl der Todesopfer. "Richter und Staatsanwälte sind doch selbst meist Machisten", sagt eine der Umstehenden.

Richter räumen bei einer Scheidung trotz Anzeige von häuslicher Gewalt den Tätern wiederholt Besuchsrecht bezüglich der Kinder ein. Es kommt immer wieder zu tödlichen Attacken im Moment der Kinderübergabe. 41 Prozent der 2016 ermordeten Frauen hatten zuvor die häusliche Gewalt gemeldet. "Wenn du bisher deinen Partner angezeigt hast, endetest du oft dort", sagt Bejarano und zeigt auf die Namenstafeln und die roten Schuhe auf dem Platz. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.2.2017)