Im Wahlkampf werden Vorwürfe gegen Martin Schulz wegen Begünstigung von Mitarbeitern aus seiner Zeit als Parlamentspräsident laut.

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Knapp eine Woche nach dem Niederlegen des Mandats als Abgeordneter des Europäischen Parlament gerät dessen früherer Präsident Martin Schulz ins Visier der Haushaltskontrolleure seiner Ex-Kollegen. Der Deutsche steht im Verdacht, es bei Anstellung und Bezahlung von Mitarbeitern bzw. deren Versorgung mit lukrativen Posten in Brüssel und Straßburg nicht immer so genau genommen zu haben. Nach Ansicht von EU-Abgeordneten, die im zuständigen Ausschuss wie im Präsidium des Parlaments mögliche Missbräuche von EU-Geldern prüfen, seien "geltende Regeln pervertiert worden", sagte die deutsche EU-Abgeordnete Ingeborg Gräßle (CDU) am Mittwoch dem Standard. "Und zwar zulasten der Steuerzahler".

Der Fall gilt im Europaparlament als superdelikat. Schulz ist von seiner Partei Mitte Jänner zum nächsten SPD-Chef und Kanzlerkandidaten bei den Wahlen im Herbst nominiert worden. Er wurde für seine Verdienste um das politische Gewicht, das er dem Parlament als Präsident zusätzlich verschafft hatte, reihum gelobt.

Dementsprechend vorsichtig äußern sich die früheren Kollegen zu den kolportierten Missbrauchsvorwürfen. Auf der anderen Seite ist gerade Schulz in Straßburg und Brüssel exponiert als Saubermann aufgetreten. Noch unter seiner Führung wurde von der EU-Parlamentsverwaltung entschieden, dass Front-National-Chefin Marine Le Pen mehr als 300.000 Euro zurückzahlen müsse: Mitarbeiter von ihr, die aus EU-Töpfen bezahlt worden waren und eigentlich in Brüssel und Straßburg hätten arbeiten sollen, waren für die Partei in Paris tätig gewesen.

Eine Aufklärung aller Vorwürfe auch bei Schulz sei daher selbstverständlich. "Alles muss geprüft werden", sagt die für Mittelkontrolle zuständige Vizepräsidentin Ulrike Lunacek (Grüne). Sollte sich herausstellen, dass der Ex-Präsident einen Mitarbeiter in Brüssel und Straßburg beschäftigte, der aber in Berlin seinen Wohnsitz hatte und für ihn tätig war, dann "war das nicht in Ordnung".

Auslandskonstruktion

Sie kenne den Sachverhalt aber noch nicht, sagte Lunacek. Diesen sehr speziellen Fall eines engen Vertrauten von Schulz hatte der Spiegel am Montag aufgedeckt. Demnach sei dieser Vertraute, Martin Engels, als EP-Mitarbeiter anfangs so angestellt gewesen, als würde er an einem EU-Standort seinen Lebensmittelpunkt haben. Tatsächlich sei er aber in Berlin gewesen. Dadurch habe er von der EU eine "Auslandszulage" erhalten und gleichzeitig jede Menge Dienstreisen nach Berlin verrechnen können. Erst später habe man in Berlin eine Stelle geschaffen.

Schulz und Engels äußerten sich laut Spiegel dazu nicht im Detail. In der sozialdemokratischen S&D-Fraktion heißt es, der Fall sei früher bereits geprüft worden. Der Haushaltsausschuss verlangte nun von der Administration eine lückenlose Prüfung. Ergebnisse könnte es in ein bis zwei Wochen geben, heißt es. Gräßle sieht es bereits jetzt als erwiesen an, dass Schulz Regeln verletzt habe: "Man hat Engels als Mitarbeiter bei der Generaldirektion Information so angestellt, dass er 16 Prozent Zulage bekommt. Er war immer in Berlin, dadurch ständig auf Dienstreise." Ihr Schluss daraus: Es sei bei dieser "Konstruktion" nur darum gegangen, dem Mitarbeiter "bessere Verdienstmöglichkeiten zu schaffen".

Rückwirkende Zulagen

Während in den Couloirs des EU-Parlaments gerätselt wird, ob es sich nur um eine Schlammschlacht im deutschen Wahlkampf handelt, tauchen neue Vorwürfe gegen Schulz auf: Nach Informationen des Standard soll er einem Mitarbeiter seines Kabinetts, der rund 10.000 Euro pro Monat verdiente, eine üppige Zulage gewährt haben: nachträglich. Gräßle sagt dazu, Schulz habe "diese Zulage selber gegeben". Ein entsprechendes Schriftstück dazu sei nur vom früheren Parlamentspräsidenten eigenhändig unterschrieben: "Das war am 20. Oktober 2015, rückwirkend um 22 Monate bis ins Jahr 2014."

Die Höhe der Zulage habe anfangs 2200 Euro pro Monat betragen, bestätigt Gräßle, und wurde auf 1300 Euro abgeschmolzen. Sie hat auch dazu eine Anfrage an die Parlamentsadministration gestellt. Die CDU-Abgeordnete: "Eine normale Zulage bewegt sich um die 500 bis 600 Euro. Ich möchte gerne wissen, was dieser Mitarbeiter von Präsident Schulz gemacht hat, das das rechtfertigt". (Thomas Mayer aus Straßburg, 15.2.2017)