Man darf nicht ungerecht sein: Das, was die Klubchefs von SPÖ und ÖVP am Mittwoch zum Thema Wahlrecht vorgeschlagen haben, bringt wahrscheinlich Erleichterungen für ein paar tausend Wahlberechtigte. Und, vielleicht noch wichtiger: Weil Briefwahlstimmen künftig schon am Wahltag selbst ausgezählt werden sollen, kann man damit rechnen, dass es schon am Wahlabend ein Gesamtergebnis geben wird.

Das ist nicht nichts. Aber es ist keine Wahlrechtsreform. Es ist bloß eine Anpassung der Wahladministration an die Erfordernisse.

Und selbst diese Anpassung ist unvollständig: Beispielsweise werden die Probleme bei der Ausübung des Wahlrechts, von denen Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher bei jedem Wahlgang berichten, durch die Vorschläge nicht gelöst.

Die ÖVP hatte eine radikale und moderne Lösung vorgeschlagen: E-Voting, also das Wählen über das Internet. Die SPÖ hatte dagegen gewichtige Einwände: So ein System könnte manipulationsanfällig sein – und zwar nicht nur, weil vielleicht Hacker in die Wahlcomputer eindringen und die Ergebnisse manipulieren könnten; sondern weil das E-Voting das Prinzip des geheimen und persönlichen Wahlrechts verletzt. Man weiß ja nicht, ob die jeweiligen Wahlberechtigten selber am Computer gesessen sind und unbeobachtet und vor allem unbeeinflusst ihren Code eingegeben haben.

Weiterreden

Darüber also wird man weiterreden müssen. Nachdem die Klubchefs Andreas Schieder und Reinhold Lopatka sich nicht einigen konnten, haben sie die offenen Punkte für eine weitere parlamentarische Enquete aufgespart. Da weiß man schon im Vorhinein, was herauskommen wird. Nämlich gar nichts.

Dafür kann man auf den Tisch bringen, was sonst noch alles wünschenswert wäre, wenn man eine richtige Wahlrechtsreform angehen wollte. Da ist zum Beispiel in den vergangenen Tagen eine Quotenregelung vorgeschlagen worden, die mehr Frauen auf die Listen bringen soll – man kann bei einer Enquetekommission dann auch gleich vorbringen, dass eine Jugendlichenquote der Zukunftsfähigkeit des Parlaments sehr dienlich wäre. Oder dass eine Pensionistenquote den demografischen Wandel gerecht abbilden würde.

Wurscht. Kommt ja eh nicht. Es kommt natürlich auch das mehrheitsfördernde Wahlrecht nicht – das war ja schon einmal Thema einer Enquete, wo es ein Staatsbegräbnis erster Klasse bekommen hat. Jetzt also soll das Thema der Mehrheitsbildung wieder in so einer Kommission zerredet werden – Bundeskanzler Christian Kern, der es mit seinem Plan A auf die Agenda bringen wollte, wird damit signalisiert: Hier, bitte, ist das Thema nun auf der Agenda. Nur leider, leider ohne Aussicht auf Umsetzung.

In die Schublade!

Ähnlich das Anliegen von Grünen und Freiheitlichen, Volksbegehren mehr Gewicht zu geben: Ja, da soll es eigene Nationalratssitzungen geben, in denen die Begehren dann erörtert werden. Dann aber ab dorthin, wohin sie nach Meinung der Regierenden ohnehin gehören: in die Schublade!

In der haben sich ja schon eine ganze Menge andere Vorschläge angesammelt, von denen kaum noch jemand spricht: Vorwahlen, Stimmensplitting, Direktwahlen – bei Gelegenheit kann man ja gelehrt oder auch polemisch darüber weiterreden. Und dann einen vorsichtigen Gesetzesentwurf basteln. Die übernächste Wahlrechtsreform kommt bestimmt. (Conrad Seidl, 15.2.2017)