Peter Zimmermann, "Aus dem Leben der infamen Menschen". € 23,- / 262 S., Milena 2016

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Wien – Die Sümpfe, Märsche und Toten des Zweiten Weltkriegs stecken den Kameraden Kurt und Rudi noch in den Köpfen. Autor Peter Zimmermann überwindet jene Schlachtfeldszenen aber schneller, als ihm der dieses überspannende "dunkelblaue, wolkenlose Himmel, über den die Sonne wie ein aufgeschlagenes Ei zerfließt und an den westlichen Rand hinuntertropft", aus der Feder geronnen sein mag.

In seinem neuen Roman beschreibt der Ö1-Redakteur und Moderator der Büchersendung ex libris eine Nachkriegskarriere der anderen Art: Heimgekehrt, werden der Koch und der Kellner Ganoven, machen am Schwarzmarkt und im Rotlicht ihr Glück und Geld. Politiker findet Kurt, der zum Mastermind wird, zwar am ehrlichsten, wenn er sie schmiert, aber bald schon schüttelt er ihnen die Hand, baut Einkaufszentren mit Unterhaltungsprogramm und Wohnungen. Aufstieg geglückt.

Aber Glück verfolgt die beiden Familien sonst nicht. Zwar öffnet der Familienname noch der Enkelgeneration alle Türen. Aber sie ist – wir lernen sie mit Achim kennen – vom Erfolg des Patriarchen erschüttert. "Er habe das Gefühl, nie eine Wahl gehabt zu haben", heißt es über den Staatsanwalt, der zum Stressabbau Kreditkarten fladert und sich mit kurzen Bekanntschaften erleichtert.

Vieles nur skizziert

Zimmermann erzählt in gern im Ornat zum Punkt findender Sprache eine Spanne von rund 70 Jahren. In achronologischer Kapitelfolge mit wechselnden Figuren im Fokus wird vieles nur skizziert, bleibt manches im Unklaren, löst sich anderes erst spät auf. Das Epische einer Generationensaga (die mittlere bleibt mit einer psychisch schwachen Tochter dramaturgisch wichtig, erzählerisch eher blass) zerbröselt wie ihr Objekt.

Das ist metaphorisch geglückt. Kriegs- und Nachkriegszeit mit ihren spannenden spezifischen Bedingungen von Neuanfang und Wirtschaftswunder allerdings sind nur grob gezimmerte Kulissen für die Geschichte dieser kleinen, schmuddeligen Dynastie mit ihren persönlichen Verwerfungen, die letztlich mehr die üppige Behauptung aufstellen, interessant zu sein, als zu interessieren. (Michael Wurmitzer, 17.2.2017)