Angeblich sollen die Erwartungen in die versprochene Wahlrechtsreform hochgeschraubt gewesen sein. Angesichts der hochgeschraubten Enttäuschung über das nun Vorgelegte fragt man sich allerdings, wer da an der Schraube gedreht haben mag. Dass eine in sich tief zerstrittene Koalition ausgerechnet in einer die Grundfesten der Demokratie betreffenden Angelegenheit ein sensationelles Ergebnis zustande bringt, war nie zu erwarten, ganz abgesehen davon, dass die Ansichten, wie ein solches bis ins Detail aussehen müsste, auch unter Experten auseinandergehen dürften. In einem Vorwahl-, wenn nicht doch noch Wahljahr mit der Implementierung eines Mehrheitswahlrechts zu rechnen, ist annähernd so realistisch wie der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tode. Man kann sich daher die Krokodilstränen der Enttäuschung ersparen.

Aber auch bei dem Zustandegebrachten handelt es sich mehr um eine Anfütterung der Wählerinnen und Wähler, doch bitte, bitte von der Demokratie Gebrauch zu machen und Wahlen nicht als eine gar zu lästige Störung der Freizeitgestaltung zu empfinden. Um empfindlichen Gemütern den Anblick einer Wahlurne zu ersparen, hat man die Briefwahl auch für im Inland lebende Bürgerinnen und Bürger eingeführt. Nun propagiert man – Kommando gleichzeitig zurück und vorwärts – einen zweiten Wahltag, um den Zulauf zur Briefwahl einzubremsen. Die nächste Wahlrechtsreform im Geiste der jetzigen bringt uns vielleicht einen dritten Wahltag oder eine Wahlwoche, wenn nicht gar ein E-Voting mit Abschaffung der Wahllokale, wo es doch eh immer schwieriger wird, Wahlbeisitzer zu finden. Wenn einmal Wählen vom Bett aus möglich ist, braucht man sich um die österreichische Demokratie keine Sorgen mehr zu machen. So gesehen ist es vielleicht überhastet, wenn auch kein Jahrzehnt zu früh, dass nun jeder Gemeinde ein barrierefreies Wahllokal samt barrierefreier Wahlzelle vorgeschrieben wird, um den wirklich wählerfreundlichen Kern der Wahlrechtsreform nicht zu vergessen.

Eifriger wird am demokratischen Fortschritt nur gearbeitet, wo es um das Wohl des Bundespräsidenten geht. Im Ambiente so vieler toter Habsburger soll er nicht auch noch dem toten Recht der Republik ausgeliefert sein, weshalb der eiserne Reformwille der Koalition auch vor diesem Exorzismus nicht zurückschreckt, ist doch totes Recht leichter zu reformieren als ein Wahlrecht. Was aber nichts daran ändert, dass es sich dabei um reine Anlassgesetzgebung handelt. Nicht der plötzliche Anblick des rechtlichen Leichnams nach sieben Jahrzehnten ließ die Koalition vor einer präsidentiellen Auflösung des Nationalrates erschauern, nein, der Hofer war's, der ihnen, und nicht nur ihnen, in die Knochen gefahren ist mit seiner Drohung, man werde sich noch wundern, was einem Bundespräsidenten alles möglich wäre.

Der Hofburgkandidat Straches hätte es sich gewiss nicht träumen lassen, auf diesem Umweg den Reformeifer einer Koalition zu beflügeln, zu deren Entlassung er nicht mehr hätte tun müssen, als totem Recht freiheitliches Leben einzuhauchen. So eingeschränkt zahlt sich eine zweite Kandidatur für ihn nicht mehr aus. (Günter Traxler, 16.2.2017)