Kanadas Premier Justin Trudeau am Donnerstag während seiner Rede vor dem Europäischen Parlament. Vor dem Hintergrund der "historischen Partnerschaft" mit der EU lobte er das Handelsabkommen Ceta.

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Dem einen oder anderen EU-Abgeordneten war ein neidvoll-ungläubiger Blick anzusehen, als Justin Trudeau am Donnerstag das EU-Parlament in Straßburg besuchte. Schon beim Eintreffen säumte eine gute Hundertschaft an Mitarbeiterinnen des Hauses die Galerie am roten Teppich: Sie wollten den Mann aus Ottawa sehen – und fotografieren!

Präsident Antonio Tajani begleitete ihn ins Plenum. Auch dort erhob sich die eine oder andere Mandatarin, um ihn in den Speicher ihres Smartphones zu knipsen. So viel spontane Zuwendung wie der smarte, bei Wahlen sehr erfolgreiche Liberale hätten europäische Politiker gerne.

Justin Superstar kam über Nacht nach Europa, um über das am Vortag beschlossene Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) zu sprechen. Tajani hebt zur Vorstellung die tiefe Verbundenheit mit Kanada hervor, viele kanadische Soldaten hätten im Kampf für die Freiheit in Europa ihr Leben gelassen. Auch Trudeau kommt rasch auf die "historische Partnerschaft" zu sprechen, auch in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Gerade deshalb komme dem Abschluss von Ceta überragende Bedeutung zu. Man teile weitgehend die Ziele und das Gesellschaftsmodell. Was das ist, zählt Trudeau Punkt für Punkt auf: "Sicherheit auch auf globaler Ebene, Gerechtigkeit fördern, Arbeit schaffen, für die Rechte der Frauen und Mädchen weltweit eintreten, ebenso für den Klimaschutz."

EU als Vorbild in der Welt

Die EU sei eine "wirkliche Leistung", Vorbild in der Welt: "Die Union und ihre Mitglieder zu stärken ist vital wichtig angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, gerade in diesen Zeiten" – ein Hinweis, den er in Anspielung auf US-Präsident Donald Trump mehrfach wiederholt. Die EU-Abgeordneten hören das gerne. Immer wieder applaudieren sie der zweisprachig auf Englisch und Französisch vorgetragenen Rede. Das Besondere an Ceta sei, dass es die Gesellschaft als Ganzes stärken werde, in einer "Win-win-Situation" für beide Seiten. In Kanada wie in der EU gehe es darum, die Mittelschicht zu stützen, gut bezahlte Jobs zu schaffen.

Dazu gehöre die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen. Jungen Leuten müsse beim Aufbau von Unternehmen geholfen werden. "Moderner Handel und Wohlstand für alle", das sei die Ceta-Botschaft an die Welt. Anders als bei der hitzigen Debatte zum Thema am Mittwoch gab es von den EU-Abgeordneten keine Unmutsäußerungen. "Wir sind Freunde und Alliierte, das Beste wird noch kommen", schließt Trudeau seinen Vortrag.

Erst bei einer Pressekonferenz kommt er auf Trump zu sprechen, den er am Montag im Weißen Haus in Washington besucht hat. Man müsse die Sorgen der Menschen ernst nehmen, dürfe ihnen nicht noch mehr Angst machen, habe er deponiert.

Trump sei vor allem gewählt worden, um Arbeitsplätze für die bangende Mittelschicht zu schaffen. Darauf sollten sich auch die Partner der USA – Kanada und die EU – konzentrieren, ist Trudeaus Ratschlag an die Europäer. Nach kaum zwei Stunden ist der Strahlemann wieder weg. (Thomas Mayer aus Straßburg, 16.2.2017)