Künstlerische Darstellung der fossilen Schildkröte Platychelys oberndorferi.

Illustration: Patrick Röschli

Bern – Die Fähigkeit von Schildkröten, ihren Kopf bei Gefahr in den schützenden Panzer zurückzuziehen, könnte sich als Nebeneffekt entwickelt haben: Ursprünglich diente der wendige Hals womöglich in erster Linie der Jagd, wie ein internationales Forscherteam in "Scientific Reports" berichtet.

Heutige Schildkröten lassen sich in zwei Gruppen einteilen: die Halswender- und die Halsberger-Schildkröten. Erstere wenden den Hals beim Einziehen seitwärts und legen ihn seitlich unter den Panzer, letztere können ihn gerade zurückziehen. Bisher ging man davon aus, dass sich die Fähigkeit zum Kopf-Einziehen bei beiden Gruppen in erster Linie als Schutzmechanismus entwickelte.

Überraschende Halsberger-Parallelen

Hinweise darauf, dass das zumindest bei den Halsberger-Schildkröten nicht unbedingt der Fall war, entdeckten die Forscher um Jeremy Anquetin vom Jurassica Museum Pruntrut im Schweizer Kanton Jura anhand der Halswirbel eines Fossils aus dem späten Jura (dem Erdzeitalter, nicht dem Kanton). Dabei handelte es sich um ein Exemplar der Art Platychelys oberndorferi, die als eine der ursprünglichsten Halswender-Schildkröten gilt und vor mehr als 150 Millionen Jahren auf dem Gebiet der heutigen Schweiz und Deutschlands lebte.

Wie die Untersuchungen des Fossils ergaben, konnte das Tier seinen Hals aber offenbar vertikal knicken, ähnlich wie die Halsberger-Schildkröten, die sich in der Schildkröten-Evolution aber erst viel später entwickelten. "Es war eine riesige Überraschung, dieses Element aus der später entwickelten Gruppe bei einer frühen Halswender-Schildkröte zu entdecken", sagte Anquetin.

Erfolgreicher Fischfang

Durch diesen Mechanismus konnte Platychelys ihren Kopf teilweise in den Panzer zurückziehen. Anhand dieser Entdeckung stellen Anquetin und Kollegen eine Theorie auf, warum sich diese Art des Kopf-Einziehens später auch bei den Halsberger-Schildkröten entwickelt haben könnte: um die blitzschnelle Vorwärts-Bewegung des Kopfes bei der Jagd auf Fische zu ermöglichen.

Anquetin: "Das Skelett von Platychelys ist recht speziell und ähnelt zwei heutigen Schildkrötenarten, die sich am Boden von Gewässern fortbewegen, sich in der Vegetation verbergen und durch Vorschießen des Kopfes nach Fischen schnappen." Platychelys könnte ähnlich gelebt haben. Die Theorie müsse jedoch erst in weiteren Studien bewähren, so die Forscher. (APA, red, 19.2.2017)