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Der entscheidende Hebel zur Veränderung der schulischen Praxis liege in der Weiterbildung, nicht in der Erstausbildung, sagt Wolfgang Feller, der bei der Denkfabrik Agenda Austria den Bereich Bildung leitet.

Foto: dpa/ Wolfraum

STANDARD: Herr Feller, Ihr Paper trägt den Titel "Was Österreichs Lehrer lernen". Ihre Antwort lautet kurz gesagt: zu wenig.

Feller: Ja. Aber das ist nicht ihre Schuld. Aus Befragungen weiß man, dass Lehrerinnen und Lehrer sich gerne intensiv weiterbilden würden – oft ist aber das Angebot nicht da. Es gibt viele kurze Kurse, aber kaum langfristige Angebote, die sich über Wochen und Monate ziehen.

STANDARD: Jeder Lehrer, der das neue Dienstrecht akzeptiert, muss sich 15 Stunden pro Jahr fortbilden. Das Ausmaß ist im europäischen Vergleich nicht gerade hoch.

Feller: Es ist schlimm, dass es die Verpflichtung nicht für alle Lehrer gibt, und zweitens muss man sagen, dass 15 Stunden einfach zu wenig sind. Wir denken an 60 bis 80 Stunden pro Jahr. Das Thema Weiterbildung für Lehrpersonen braucht zunächst einmal die Anerkennung, die es verdient. Durch diverse Studien wissen wir, dass es einen Zusammenhang zwischen Lehrerfortbildung und den schulischen Leistungen der Kinder gibt. Weiterbildung kann ein effizienteres Mittel zur Verbesserung der Schülerleistungen sein als strukturelle Maßnahmen wie die Verringerung der Klassenschülerzahl. Und da geht es gar nicht um fachspezifische Weiterbildung.

STANDARD: Sondern?

Feller: IKT-Kompetenzen werden zum Beispiel oft genannt, aber auch das Unterrichten von Schülern mit besonderen Lernbedürfnissen. Im eigenen Fach fühlen sich die Lehrkräfte durchaus kompetent und sicher – aber sie möchten ihre pädagogisch-didaktischen Kompetenzen und Lehrmethoden stärken.

STANDARD: Österreichs Lehrer bilden sich durchschnittlich in 18 Monaten elf Tage weiter. Das ist wesentlich kürzer als in anderen Ländern, obwohl der Wunsch nach Fortbildung ja da ist. Wieso wird dieser dann nicht umgesetzt?

Feller: Da sind wir dann bei den Anreizen. Momentan ist das Gehalt der Lehrer ja nicht an Leistungen gekoppelt. Für neue Lehrer, die sich abseits des Unterrichts sehr engagieren und sich in ihrer Freizeit weiterbilden, ist der Effekt dann oft ein Resignieren, denn sie sehen ja, dass dieses Engagement finanziell gesehen nichts bringt. Hier könnte man also ansetzen und jene, die sich weiterbilden, belohnen. Ganz allgemein muss ich zu dieser Frage aber sagen: Es fehlt uns ja an Informationen. An der letzten großen internationalen Studie, in der Lehrer zum Thema Fortbildung befragt wurden, hat Österreich nicht teilgenommen. Die letzten Daten stammen aus dem Jahr 2008.

STANDARD: Wo funktioniert die Lehrerfortbildung gut?

Feller: Da gibt es ganz verschiedene Beispiele mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Spannend finde ich zum Beispiel Liechtenstein, da wirken verschiedenste Instanzen zusammen – Schulamt, Inspektorate, Schulleiter und die einzelnen Lehrkräfte sind an der Festlegung des Weiterbildungsplans beteiligt. Inspektoren können außerdem im Zuge von Personalbeurteilungen Lehrer auch zum Besuch gewisser Fortbildungen verpflichten. Eigentlich wie in einem gut funktionierenden Unternehmen.

STANDARD: Sie empfehlen auch, dass Direktoren mehr Mitspracherecht dabei haben sollten, in welchen Bereichen sich die Pädagogen ihrer Schule weiterbilden.

Feller: Momentan steht das persönliche Interesse der Lehrer im Vordergrund. Das stimmt aber nicht unbedingt damit überein, was die Schüler benötigen. Herausforderungen sind aber zur Genüge da: zunehmende Heterogenität der Schüler durch Migration und Flucht, ein generell beschleunigter gesellschaftlicher Wandel und natürlich die technologischen Innovationen, die den Unterricht verändern. Idealerweise könnte ein Schulleiter sich einen Überblick verschaffen: Welche Kompetenzen werden an meiner Schule in den kommenden Jahren gebraucht, und wie gelingt die Vorbereitung darauf? Es gibt bereits Schulen, in denen das sehr gut funktioniert. Aber das geschieht dann auf Eigeninitiative. Die Verantwortung der Schulleiter ist eine Sache – zuerst muss aber das Dienstrecht passen. (lhag, 21.2.2017)