Was können Sozialunternehmer? Michael Meyer und Reinhard Millner sagen Systeme verändern: ja. Abcashen: nein.

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Auch über rhetorische Fragen kann man trefflich diskutieren, wie ein Abend am WU-Gründungszentrum mit Lena Gansterer (ImpactHub Vienna), Werner Wutscher (Business-Angel) und Martin Wesian (helioz-Gründer) zeigte. Über eines war man sich schnell einig: Warum sollten die guten, sozialen Unternehmer nicht richtig reich werden dürfen, wenn es auch den bösen (im Rahmen der Gesetze) mit den schädlichen Ideen erlaubt ist?

Vieles spricht dagegen

Man kann Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik hernehmen, wie es Fred Luks einleitend vorschlug. Dem Gesinnungsethiker reicht es nicht, dass Gutes als Ergebnis des Handelns entsteht, auch die Gesinnung muss durch und durch gut sein. Pekuniäre Motive sind da schädlich. Gesinnungsethik ist mit Sozialunternehmertum schwer vereinbar, und viele der Kritiker von Social Business sind im Grunde ihres Herzens Gesinnungsethiker.

Spannender ist allemal die Frage, ob man mit Social Business überhaupt viel Geld verdienen kann. Vieles spricht dagegen. Erstens die empirische Evidenz: Richtig reiche Sozialunternehmer sind uns nicht bekannt. Die Maserati- und Jaguar-Fahrer gibt es zwar als schwarze Schwäne, dabei handelt es sich aber eher um Sozialmanager und nicht um Sozialunternehmer. Ausnahmen bleiben sie allemal, der normale Sozialmanager verdient einen Bruchteil eines Profit-Managers mit vergleichbarer Führungs- und Verantwortungsspanne.

Zweitens die ökonomische Theorie. Sozialunternehmen sind Unternehmen, die vorrangig ein soziales oder ökologisches Ziel verfolgen und die mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen über den Markt erwirtschaften. Dabei gibt es drei Typen:

Drei Typen von Sotialunternehmen

· Der erste Typ, die Integrativen, umfasst Unternehmen, die Menschen in den Produktionsprozess integrieren, welche sonst kaum Arbeit fänden, und die am Absatzmarkt in Konkurrenz zu gewinnorientierten Unternehmen stehen. Beispiele dafür sind magdas Hotel in Wien, aber auch die meisten Arbeitsintegrationsunternehmen und sozialökonomischen Betriebe.

· Der zweite Typ, die Innovatoren, umfasst Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen herstellen, für die es (derzeit noch) keinen funktionierenden Markt gibt, weil keine zahlungsfähige und -bereite Nachfrage existiert. Beispiele dafür sind Bottom-of-the-Pyramid-Anbieter wie helioz, die eine effektive Technologie entwickelt haben, verschmutztes Wasser zu entkeimen. Dazu zählt auch die Grameen Bank von Mohammed Yunus, die die Mikrokredite populär und ihren Gründer zum Nobelpreisträger gemacht hat. In weiterem Sinn fallen auch die Anbieter neuer sozialer Dienstleistungen (z. B. Pflege, Lernhilfe) in diese Kategorie.

· Der dritte Typ, die integrativen Entdecker, sind Unternehmen, die sowohl benachteiligte Menschen in den Produktionsprozess integrieren als auch mit ihren Produkten und Leistungen soziale Probleme lösen. Sie entdecken durch eine neuartige Kombination von Produktionsfaktoren vollkommen neue Lösungen. Ein Beispiel dafür ist Discovering Hands, das sind blinde Frauen, die Brustkrebs ertasten können. Ein anderes ist Capito von atempo Graz, wo lernbehinderte Menschen mitwirken, besser verständliche Texte zu schreiben.

Keine optimistischen Prognosen

Keiner der drei Typen hat in einer funktionierenden Marktwirtschaft eine optimistische Prognose. Die Integrativen haben im Vergleich zur kapitalistischen Konkurrenz Produktivitäts- und Effizienznachteile, die im günstigen Fall durch das Abschöpfen einer Extrakonsumentenrente kompensiert werden können. Der sozial engagierte Konsument ist vielleicht bereit, schlechtere Qualität in Kauf zu nehmen oder für die gleiche Qualität mehr zu zahlen. Sollte diese erhöhte Zahlungsbereitschaft stabil sein, wird auch die Konkurrenz mit sozialen Verkaufsargumenten kommen, z. B. im Sinne intensivierter CSR. Es ist unwahrscheinlich, dass die Integrativen ohne öffentliche Zuwendungen oder Spendengelder überleben können, bleiben doch wegen des Integrationsziels die Produktivitätsnachteile bestehen. Sollten sich diese Nachteile zu Vorteilen wandeln, indem z. B. die ethnische Diversität der Belegschaft zu einer besonderen Dienstleistungsqualität führt, dann werden sich am Markt schnell Nachahmer finden. Damit nehmen diese Sozialunternehmen zwar eine wichtige Pionierrolle ein, aber alles andere als eine gemütliche Marktnische. Wie bei klassischen NPOs läge ihr größter Erfolg darin, dass sie überflüssig werden.

Ähnliches gilt für die Innovatoren. Das sind oft Entrepreneure im Sinne Schumpeters: völlig neue Produkte und Leistungen für neue Märkte, gegen die bisherigen Regeln. Gelingen Innovation und Marktentwicklung, sind die Nachahmer ante portas. Häufig sind das finanzstarke Multis, die sich die Ideen kaufen, das soziale Ziel unauffällig entsorgen und dann so richtig viel Geld verdienen. So wurden in Indien Mikrokredite in einer Art und Weise skaliert, die einer epidemischen Vermehrung von Kredithaien glich. So schlug helioz ein unmoralisches Übernahmeangebot aus, weil der Bieter die Lebensdauer des helioz-Produktes aus gewinnsteigernden Gründen verkürzen wollte. Wie viele Hightech-Start-ups stehen auch Sozialunternehmer vor der Alternative, schnelles Geld mit Kindesweglegung zu verdienen oder das Baby mit ungewissem Ausgang selbst zu entwickeln.

Die Nischen sind eng

Nur für die integrativen Entdecker gibt es eine optimistischere Langfristperspektive. Ökonomisch erklärt sich das aus einem privilegierten Zugang zu besonderen Ressourcen – den spezifischen Talenten benachteiligter Gruppen – in Verbindung mit einer Produktinnovation, die eine Marktnische findet und aufgrund einer Qualitätsalleinstellung besetzen kann. Wie aber die Beispiele für diesen Typ zeigen, sind die Nischen eng, und die Sozialunternehmer können über die Mühen der Skalierung und die Grenzen der Skalierbarkeit ein Klagelied singen.

Ob man als Sozialunternehmer so richtig viel Geld verdienen darf, daran kann man sich als Gesinnungsethiker gerne verbeißen. Die ökonomische Analyse zeigt uns die Irrelevanz der Frage.

Das ist die schlechte Nachricht für Sozialunternehmer: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie so richtig reich werden. Mit viel Herzblut und Einsatz können sie überleben, auch dank öffentlicher Förderungen, Spenden und Awards. Manche mutieren zu ganz normalen Unternehmern. Diese Ambivalenz erklärt auch, warum die direkten SROIs (Social Return on Investment) von Sozialunternehmen im Vergleich zu klassischen NPOs auffallend gering sind. Die Werte steigen erst bei einer Ausdehnung des Zeithorizonts und einer Berücksichtigung indirekter Effekte.

Das ist dann die gute Nachricht für Wirtschaft und Gesellschaft: Sozialunternehmen können Systeme verändern, auch wenn sie selbst wirtschaftlich erfolglos sind. Wie diese Systemveränderung geht, zeigten schon die Pioniere der CSR. The Body Shop etwa hat den Kosmetikmarkt nachhaltig verändert. Auch wenn ein einzelnes soziales Start-up nicht überleben sollte, kann es dazu beitragen, dass sich die institutionellen Regeln in Märkten ändern und damit die Welt wieder ein klein wenig besser wird. (23.2.2017)