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"Sag niemals nie" soll Sean Connery zu seiner Frau über ein mögliches James-Bond-Comeback gesagt haben, als er seine Paraderolle 1971 vorläufig an den Nagel hing. Um dann zwölf Jahre später unter genau diesem Titel doch noch einmal – mit Klaus Maria Brandauer als Gegenspieler – den Agenten im Geheimdienst ihrer Majestät zu geben. Das Ergebnis darf nach wie vor als einer der besseren Einträge in der für ihre pittoresken Schauplätze bekannten Filmreihe gelten.

Gleich mehrere Sequenzen für Sag niemals nie wurden in Ville-franche-sur-Mer an der südfranzösischen Côte d’Azur gedreht. Manche unterhalb der wuchtigen, Mitte des 16. Jahrhunderts errichteten Zitadelle, andere im Hafen, wie Tourguide Sandra bei einem Spaziergang zu Filmschauplätzen erzählt. Mit der Tour wirft man ein Licht auf einen Ort, der sonst in filmischer wie touristischer Hinsicht im Schatten des nur 20 Minuten entfernten Nizza liegt, sich aber in keinerlei Hinsicht zu verstecken braucht.

Das Testament des Orpheus

Schon vom etwas höher gelegenen Bahnhof aus entfaltet sich vor dem Auge ein Panorama, wie gemacht für einen Kameraschwenk. Der Hafen, die engen Gassen und die in warmen Farben gehaltenen Häuschen ergeben einen Ort wie aus dem Bilderbuch. Kein Wunder also, dass nicht nur Touristen, sondern auch Filmteams zu den Stammgästen gehörten und gehören. Von Meisterregisseur Josef von Sternberg, der hier einst Szenen für seinen Film Noir Macao drehte, bis zu Ashton Kutcher und Katherine Heigel, die in der Actionkomödie "Kiss & Kill" vor der sonnigen Hafenkulisse so tun, als wären sie im benachbarten Nizza.

Villefranche diente dem französischen Schriftsteller, Maler und Filmemacher Jean Cocteau (1889-1963) über Jahrzehnte als Refugium und Arbeitsplatz. Hierher zog er sich zurück, als er 1923 den Tod des jungen Autors Raymond Radiguet ("Der Teufel im Leib") zu verkraften suchte. Mit genügend Drogen, eingeigelt in ein Hotelzimmer. Hier drehte er aber auch 1959 in der schummrigen Rue Obscure Szenen für sein assoziatives Meisterwerk "Das Testament des Orpheus". Und hier malte er zwei Jahre zuvor die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kapelle St. Pierre aus. Mit Motiven aus dem Lebensweg des Apostels Petrus, mit denen er jene Einheimischen würdigte, die sich über Jahrzehnte als treue Freunde erwiesen hatten: die Fischer von Villefranche.

Rückenansicht mit F-Löchern

Die sehenswerte Kapelle steht genau gegenüber jenem ehemaligen, zum Hotel umgebauten Konvent aus dem 17. Jahrhundert, in das sich Cocteau zurückzog. Das Hotel Welcome sei "das einzige, das hier in Frage kommt", urteilten Erika und Klaus Mann bereits 1931 in ihrem Reiseführer Das Buch von der Riviera. Die Liste an Gästen, die sich dieser Einschätzung anschloss, ist lang.

Die als Kiki de Montparnasse bekannte Muse von Surrealist Man Ray, Stichwort nackte Rückenansicht mit F-Löchern, nächtigte hier ebenso wie die berühmte Tänzerin Isadora Duncan. Wie man bei der Filmtour erfährt, ist das Haus auch in Kinofilmen zu sehen. In John Frankenheimers Action-Thriller "Ronin" mit Robert De Niro etwa. Das Hotel selbst ist erfreulich unprätentiös geblieben. Selbst die Würdigung des berühmtesten Gastes fällt dezent aus: Die unaufdringliche Dekoration von Zimmer Nummer 22, in dem Cocteau Orphée geschrieben hat, ist von einer Postkarte inspiriert, die der Künstler einst an seine Mutter geschrieben hat.

Exile on Main Street

Vom Hotel Welcome aus zu sehen ist auch ein hoch über der Bucht thronender Belle-Epoque-Bau auf der anderen Seite des Hafens, der ebenfalls als Zufluchtsort diente und in die Popgeschichte eingehen sollte: 1971 mietete Keith Richards für ein Jahr die 16 Zimmer umfassende Villa Nellcôte an, empfing Dealer und Kumpel wie Beat-Autor Williams S. Burroughs oder Folk-Rock-Pionier Gram Parsons und nahm mit den Rolling Stones im Keller neue Songs auf. Das Album, das aus dem Tohuwabohu schließlich hervorging, gilt als eines der besten der Band: Exile on Main Street.

Besichtigt werden kann das Anwesen. Wer die Hügel hochsteigt, steht vor einem verschlossenen, blickdichten Tor, nur ein Schriftzug verrät den Namen der Villa Nellcôte. Wie viele der Luxusbehausungen auf den Hängen von Villefranche gehört sie heute einem russischen Milliardär.

Dafür lädt der kleine aber hübsche öffentliche Strand von Villefranche zum Baden ein, an erstklassigen Restaurants herrscht kein Mangel. Es spricht also nichts dagegen, mit Stöpseln im Ohr und Zustimmung im Herzen einer jener Songs zu hören, den Keith Richards einst an einem Sommernachmittag in Villefranche geschrieben hat: "Happy". (Karl Gedlicka, 21.2.2017)