Ein Abwesender dominierte die Sicherheitskonferenz: Präsident Trump. Man versicherte sich gegenseitigen Wohlwollens, immer auf der Hut vor dem nächsten Tweet.

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Es war so, als würde ein großer unsichtbarer Elefant im Raum schweben, vor dem sich alle fürchten. Jederzeit, so schien es, könnte er in 140 Twitterzeichen herunterstoßen auf die Münchner Sicherheitskonferenz und all die outriert dargestellte Kooperationswilligkeit platt walzen. Ein Spiel namens "Jumpin’ Trump" gewissermaßen.

Dabei hatten sich alle Anwesenden an diesem Wochenende Mühe gegeben, nicht noch mehr Öl ins hochlodernde weltpolitische Feuer zu gießen. Pentagonchef James Mattis und US-Vizepräsident Mike Pence hatten in Reden, die mehr Grußadressen als programmatische Ausblicke auf die kommende Politik in Washington D.C. waren, die europäischen Partner ihrer Pakttreue in der Nato versichert und sie bestimmt darauf hingewiesen, dass sie auch ihren Beitrag zur Allianz zu leisten hätten. Heimatschutzminister John Kelly las ein Statement zur neuen Migrationspolitik der USA, das so verwaschen war, dass er es selbst nicht ganz zu begreifen schien.

Auf der Gegenseite kam man mit dem Betonen der Partnerschaft und Kooperationswilligkeit in Richtung Vereinigte Staaten kaum nach. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel merkte an, dass das transatlantische Band noch immer stark sei. Deutschland werde sich an die Nato-Pläne halten und seine Rüstungsausgaben substanziell erhöhen. Sie wies auf die gefährdeten Werte des Westens (siehe nebenstehenden Artikel) hin.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault, sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel und Österreichs Chefdiplomat Sebastian Kurz stellten ebenfalls das Interesse Europas in den Vordergrund, mit der neuen US-Regierung gut zu kooperieren – viel anderes sei ja auch nicht möglich.

Stinktier auf der Party

Selbst der üblicherweise auf die Rolle des Stinktiers auf der Münchner Party abonnierte russische Außenminister Sergej Lawrow erschien in diesem Jahr konzilianter als sonst. Dafür ließ dessen Chef, Präsident Wladimir Putin, die Betriebstemperatur im Ukrainekonflikt nicht sinken. Er erließ ein Dekret, das die Anerkennung von in den ostukrainischen Separatistenprovinzen ausgestellten Dokumenten in Russland anordnete. "Väterchen Frust" sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Erstmals ließ unterdessen die üblicherweise auf strikte Pekinger Interessenpolitik ausgerichtete Volksrepublik China weltpolitischen Führungswillen erkennen. Nach dem Auftritt von Staatspräsident Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum in Davos, bei dem dieser China als Speerspitze des antiprotektionistischen, globalisierten Welthandels präsentierte, bot der chinesische Außenminister Wang Yi in München China als ehrlichen politischen Makler für weltweite Kooperationen an.

Neue Spielräume

Für die meisten Beobachter war dies Ausdruck der neuen weltpolitischen Spielräume, die der relative Rückzug der Vereinigten Staaten, der schon unter Präsident Barack Obama seinen Anfang nahm, aufmacht. Die allgemeine Auffassung war, dass die Konfliktlinien der Zukunft deswegen viel deutlicher zwischen den USA und China verlaufen würden – politisch und ökonomisch. Mit Russland dagegen seien die Amerikaner bereit, einen Ausgleichskompromiss zu schließen. Auch Putin rechne sich in diesem Zusammenhang etwas aus.

Der zweite Hotspot in der neuen weltpolitischen Lage wird für die Analysten der Nahe Osten und der Iran werden. Insbesondere weil US-Präsident Trump tatsächlich daran denken soll, den Nukleardeal mit Teheran wieder aufzumachen. Das ist laut EU-Diplomaten zwar schwierig, aber eben nicht unmöglich. Anders formuliert: Wenn der in diesem Fall sichtbare Elefant in den kommenden Monaten in der US-Politik mangels Kooperation im – republikanisch dominierten – Kongress keinen innenpolitischen Erfolg vorweisen kann, dann stehe außenpolitisch einiges zu befürchten. Denn außenpolitisch habe der US-Präsident eine deutlich freiere Hand. (Christoph Pranter, 19.2.2017)