Dübendorf – Welche Einflüsse der globale Klimawandel abseits der schmelzenden Eismassen mit sich bringt, lässt sich nur ansatzweise erahnen. Nun zeigt eine Studie, dass sich die klimatischen Veränderungen mittelbar auch auf die Verfügbarkeit von Spurenelementen in der Nahrung auswirken: Ein internationales Team aus der Schweiz, Deutschland und Großbritannien konnte nachweisen, dass aufgrund der Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zwei Drittel der Ackerflächen weltweit geringere Mengen von Selen aufweisen. Damit steigt auch vielerorts das Risiko, an Selen-Mangel zu erkranken.
Selen ist ein Spurenelement, das eine wichtige Rolle für die menschliche Gesundheit spielt und das über die Ernährung aufgenommen wird. Die Selen-Menge in der Nahrung, zum Beispiel in Getreideprodukten, hängt stark davon ab, wie viel des Spurenelements in Ackerböden vorkommt.
Mit dem Klimawandel könnten Böden jedoch zunehmend arm an Selen werden, wie das Forscherteam unter Leitung der Schweizer Forschungsanstalt Eawag im Fachblatt "PNAS" berichtet. Den Wissenschaftern ist es erstmals gelungen, eine weltweite Karte der Selen-Verteilung zu rekonstruieren.
Zusammenhang zwischen Selen-Gehalt und Klima
Das gelang durch eine umfassende Analyse von Datensätzen, die eigentlich für andere Zwecke zusammengetragen worden waren. Außerdem konnten die Forscher eine Verbindung zwischen dem Selen-Gehalt, der Bodenbeschaffenheit und den jeweiligen Klimabedingungen vor Ort ziehen.
Den größten Einfluss auf die Selen-Konzentration im Boden haben Niederschläge sowie das Verhältnis zwischen Niederschlag und Verdunstung. Bei Niederschlägen werden die Böden ausgewaschen und es kommt zu einem Verlust von Selen. Gleichzeitig können Niederschläge einen positiven Effekt auf den Selen-Gehalt haben. Denn nasse Böden haben einen geringeren Sauerstoffgehalt und einen tieferen ph-Wert, sodass das negativ geladene Selen besser an Bodenpartikeln gebunden bleibt. In Gebieten mit wenig bis mittlerem Niederschlag und hohem Tonanteil ist ein hoher Selen-Gehalt am wahrscheinlichsten. Trockene, basische Böden mit wenig Ton enthalten eher wenig Selen.
Mit dem Datenvergleich gelang es den Wissenschaftern, den Selen-Gehalt in Böden vorherzusagen, wenn sich die Klimabedingungen im Zuge der Erderwärmung verändern. Dazu simulierten sie die durchschnittliche Menge des Spurenelements für die Zeitspannen 1980 bis 1999 und 2080 bis 2099. Das Resultat: Zwei Drittel der weltweiten Ackerflächen werden bis Ende des Jahrhunderts an Selen verlieren, im Vergleich zum Ende des 20. Jahrhunderts durchschnittlich um fast neun Prozent.
Drohender Selen-Mangel
Damit steige auch in vielen Regionen das Risiko, an Selen-Mangel zu erkranken, warnen die Forscher. Bereits heute sei bis zu eine Milliarde Menschen davon betroffen, schrieb die Eawag. Gesundheitliche Folgen können beispielsweise eine Erkrankung des Herzmuskels sein.
Der zunehmenden Selen-Armut der Böden ließe sich mit entsprechenden Düngemitteln entgegenwirken. Finnland tue dies bereits seit 1984, hieß es weiter. Außerdem könne man Selen auch als Zusatzstoff in Tierfutter verwenden. Die Studienautoren sehen in ihren Ergebnissen eine frühzeitige Warnung an humanitäre Organisationen und die Agrarindustrie, sich auf das Problem einzustellen. (APA, red, 21.2.2017)