Pissed Jeans sind wahrscheinlich nette Menschen. Über ihre Musik lässt sich das nicht sagen. Das freut Ohr und Magensäure.

Foto: Sub Pop

Wien – Jeanshosen sind strapazierfähige Kleidungsstücke. Ursprünglich als Arbeitsgewand im Einsatz, gelten sie heutzutage als Standard der Alltagsmode für sie, ihn und es. Dort trotzen sie allen Torheiten der sogenannten Fashion. Stonewashed, durchlöchert, zerschossen, mit weißem Strich oder Schlag, als Stretch oder unterm Arsch, sämtliche Farben – alle Irrtümer haben Jeans überstanden. Sogar die gelbe Jean.

Ob diese gemeint war, als sich die US-Band Pissed Jeans Pissed Jeans genannt hat, ist nicht überliefert. Klar ist aber, dass es dem Vierer aus Pennsylvania darum ging, mit ihrem Nom de Guerre etwas nicht zu Schmeichelhaftes zu übermitteln. Jeans mit Lulu? Als Kleidungsstück lieber nicht, als Band aus der Neigungsgruppe der schlechten Laune konveniert der Name aber durchaus.

Pissed Jeans bestehen seit 2004, eben haben sie ihr fünftes Album Why Love Now veröffentlicht. Sie spielen lacklosen Lärmrock. Grimmig, übersteuert, und vorn am Mikro hängt Matt Korvette überm Mikro und kotzt sich aus. Das alles ist so unmodern wie gelbe Jeans, andererseits sind üble Laune und Rock 'n' Roll ja Evergreens.

Sub Pop

Hinzu kommt im Falle der Pissed Jeans der Umstand, dass sie beim Label Sub Pop veröffentlichen. Sie zählen dort mit den artverwandten Metz zu jenen Bands, die die Wurzeln des Verlags pflegen. Diesbezüglich gilt es an das glücklose Trio Tad um Sänger und Posterboy Tad Doyle zu erinnern. Tad zählten zu den ersten Acts auf Sub Pop und nahmen einst Nirvana mit auf ihre erste Europatournee.

Selbstgewähltes Stigma

Zwar bringen die vier Lulujeans zusammen nicht so viel Gewicht auf die Waage wie Tad Doyle nach einer zünftigen Flüssigjause im Crocodile Café, die Erbfolge zu Tad besteht aber durchaus: nachzuhören im Gesamtwerk von Tad, das vor Weihnachten 2016 vollständig wiederaufgelegt wurde.

Doch Pissed Jeans lediglich als Wiedergänger des Grunge zu bezeichnen griffe zu kurz. Klar ist, dass man mit dem Bandnamen nicht auf eine Karriere im Hauptabendprogramm hofft. Es ist das frei gewählte Stigma eines Underdogs, der sich den ewigen Themen der unzufriedenen und unangepassten Jugend widmet. Zwar ist es heute mehr Punk, kein Smartphone zu besitzen, als Punkrock zu spielen, andererseits kann man als tourende Band fremde Länder kennenlernen, jene, die andere bloß am Handy googlen.

Dass sich der amerikanische Traum in der Ära des Donald Trump für viele in einen Albtraum verwandelt, kommt Pissed Jeans atmosphärisch zupass. Schließlich widmen sie in ihrer Kunst einen Großteil ihres Unmuts den Symbolen dieses Traums: dem Aufwachsen in den Suburbs, der vermeintlichen Idylle dort, der gepflegten Langeweile – sie sind der Nährboden eines Ekels, der sich in Songs wie I'm a Man, Worldwide Marine Asset Financial Analyst oder Not Even Married ergießt.

Gleichzeitig entspringt das Privileg, sich gegen den amerikanischen Lebensentwurf zu stellen, einer Herkunft in demselben. Diese Schizophrenie würzt die Musik mit Zynismus, mit dem Have-a-great-day- und How-are-you-Amerikaner nichts anfangen können. Lieber noch eine Glock anschaffen, sicher ist sicher.

Lydia Lunchs Segnung

Dass die Ballade für dieses Milieu keine brauchbare Form ist, versteht sich von selbst. Pissed Jeans lärmen und bitzeln sich wie getretene Hunde durch ihre Songs, beißen blind um sich. Blutende Waden statt Frolic. Songs wie Activia oder das in seiner Bösartigkeit an die frühen Clutch erinnernde Waiting on My Horrible Warning ergehen sich quälend langsam in ihren Themen, andere drücken die Geschwindigkeit in den Schmerzbereich hoch.

Zwar ist das tendenziell Bubenmusik, doch vermeiden Pissed Jeans machistische Klischees, und für die Form einer Gitarre kann man sie nicht verantwortlich machen. Wären sie nicht gute böse Jungs, Lydia Lunch hätte ihnen die Ohren langgezogen. Die New Yorker Punkmutter hat das Album produziert. Man kann das als Gütesiegel verstehen. Sie kredenzt quasi die todbringende Chilischote in dieser Gift- und Gallebrühe. Mahlzeit. (Karl Fluch, 22.2.2017)