Ein Blick aus dem Fenster auf den Wiener Eislaufverein – im Sommer.

Foto: Heribert CORN

Vollbesetzte Bürgerversammlung im Hotel Intercontinental. Von der FPÖ im Bezirk beantragt. Es geht um das Heumarkt-Projekt, das wieder einmal in allen seinen Details präsentiert wird. Die Stimmung ist von Beginn an aufgeheizt. Die Wortmeldungen typisch. Kann man für das Geld nicht Schulen bauen? Muss das so hoch sein? Muss überhaupt gebaut werden, ist doch schön so, wie es ist. Ach ja, und natürlich das Weltkulturerbe.

Man sieht auch viele bekannte Gesichter. Bei den Protesten gegen das Haas-Haus, das Museumsquartier, Wien Mitte und jetzt eben gegen das Heumarkt-Projekt waren und sind sie aktiv. Jeder Versuch, die positiven Aspekte des Projekts zu erwähnen, werden gutbürgerlich wutschäumend niedergebrüllt.

Das ist ganz normal. In jeder Stadt gibt es eine Gruppe von Menschen, die jeden Neubau, jede Veränderung des "Gewohnten" ablehnen. Und dazu kommen dann jene, die trotz heute extrem entwickelter Darstellungstechniken und Simulationen sich noch immer ein Projekt nicht vorstellen können und erst nach Fertigstellung überrascht überzeugt davon sind.

Grundsätzlich dagegen

Man kann aber auch ganz grundsätzlich stadtplanerisch gegen das Projekt Heumarkt sein. Dagegen, dass über Jahre in einem transparenten Verfahren, im ständigen Dialog mit der Stadtplanung und der politischen Verantwortung ein Projekt entwickelt wird, bei dem eine private Investition mit dem öffentlichen Interesse abgeglichen und in einem städtebaulichen Vertrag festgehalten wird. Das ist ein Verhandlungsprozess, der in ein konkretes Projekt mündet. Demgegenüber wird gefordert, dass die Stadtplanung vorher, ohne Investor und die Absicht, ein Projekt zu verwirklichen, in einem abstrakten Plan vorgibt, was gebaut werden darf. Ja, es gibt eine geordnete Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung der Stadt. Aber immer schon werden diese dann aus guten Gründen konkreten Projekten angepasst und geändert. Nur in der Vergangenheit geschah dies stillschweigend und nicht immer zum Vorteil der Stadt.

Mehrwert lukrieren

Jetzt werden dafür, lange gefordert, "städtebauliche Verträge" transparent und nachvollziehbar abgeschlossen, um den Mehrwert von Widmungsänderungen für die Allgemeinheit zu lukrieren.

Das sollte auch jene Hundertschaft von Künstlern und Bürgern wissen, welche dem Aufruf von Gerhard Ruiss und Genossinnen folgten, der behauptet: "Wien dient nur als Kulisse für Luxuslebensgefühle, die hier ausgelebt werden sollen, der Bau ist ein Angebot für den grenzenlosen Reichtum, der auf der Suche nach Luxuswohnraum durch die Weltinnenstädte zieht." Ja, das macht er heute in Wien, vor allem in vielen Palais des Weltkulturerbes, ohne Beitrag für die Öffentlichkeit. Am Heumarkt aber finanziert der "grenzenlose Reichtum" damit öffentlichen Nutzen für den Eislaufverein, für das Konzerthaus und für den öffentlichen Raum.

Bleiben nur mehr die Gegnerschaft von Icomos und der drohende Verlust des Weltkulturerbes für die Innere Stadt. Ja, die Stadt Wien ist mit diesem Antrag ahnungslos in ein System hineingestolpert, dessen Mechanismen sie nicht kannte. Die Unesco ist eine respektable Institution. Für das Weltkulturerbe aber verlässt sie sich auf eine private Vereinigung namens Icomos, deren Expertise in vielen Fällen mehr als zweifelhaft ist.

Vermisste Expertise

Ihre Kriterien des Urteils sind ebenso wenig nachvollziehbar, wie sie jede morphologische, typologische und kulturgeschichtliche Expertise vermissen lässt. Es sind, immer schon, in der Regel individuelle Geschmacksurteile.

Jedenfalls hörte man nichts von Icomos zur Elbphilharmonie in Hamburg, die mit 110 Metern am Rande des Weltkulturerbes Hafencity Hamburg dieses deutlich überragt. Ob also ein Neubau in einer Weltkulturerbezone von Icomos positiv oder negativ gesehen wird, hängt von der wohl zufälligen Meinung der Gutachter ab. So wäre die Unesco gut beraten, auch andere Expertisen als jene von Icomos anzuhören, die in ihrem letzten Report neben Vertretern der Stadt ausschließlich mit Gegnern des Projekts konferierte.

Deshalb ist die Position der Stadt dazu berechtigt. Ja, es muss verhandelt werden. Die Weiterentwicklung der Stadt muss auch im Weltkulturerbe möglich sein. Wenn sich die Unesco am Heumarkt auf 43 Meter Höhe einzementiert, laut Wikipedia hat das derzeitige Hotel aber 39 Meter Höhe, entbehrt dies jeder stadträumlichen Grundlage. Und auch der Alarmismus, dass mit der Bewilligung des Heumarkt-Projekts auf einmal die Innere Stadt mit Hochhäusern überschwemmt werden würde, ist angesichts der Kriterien der Stadtplanung einfach nur lächerlich.

Weinfeld sei Dank

Ich bin Anrainer seit Jahrzehnten. Wohnte zuerst über dem Café Heumarkt mit Blick auf den Stephansdom, der durch das neue Projekt nicht beeinträchtigt ist. Jetzt gehe ich täglich durch den Stadtpark und freue mich über die Scheibe des Hotels, die diesen großartigen Grünraum städtebaulich perfekt rahmt.

Und ich bin Isay Weinfeld für seinen Entwurf dankbar, der die Typologie und Modernität dieses Ortes ästhetisch und stadträumlich angemessen und perfekt weiterentwickelt. Wir haben die letzten Jahre genug andere Entwürfe gesehen. Keiner war inhaltlich so überzeugend wie das derzeitige Projekt. (Dietmar Steiner, 21.2.2017)