Moë bleibt nicht.

Foto: Christa Minkin

Der Verein hatte die ehemalige Fabrik 2010 bezogen.

Foto: Heribert Corn, www.corn.at

Ein Teil der von Moë bespielten Räume. Das Foto entstand im Jänner 2016.

Foto: Heribert Corn, www.corn.at

Wien – "Moë bleibt" ist vielerorts in Wien – oft aufgesprüht auf Häusermauern – zu lesen: eine Solidaritätsbekundung für den seit Monaten von einer Delogierung bedrohten Wiener Kulturverein. Wie nun bekannt wurde, kann Moë nicht bleiben. Der Verein muss aus den Räumen der ehemaligen k. u. k. Orden- und Medaillenfabrik Mandelbaum in der Thelemangasse 4 in Hernals ausziehen. Das gab der Verein am Donnerstag bekannt.

Das entsprechende Urteil im Räumungsverfahren sei am Montag in erster Instanz verkündet worden. Weil für ein Berufungsverfahren das Geld fehlt, habe sich der Verein gezwungen gesehen, vor Gericht einen Vergleich abzuschließen. Dabei wurde als Auszugsdatum der 31. Mai festgelegt.

"Bitter und symptomatisch"

"Die pragmatische Erkenntnis, dass wir mit unseren Anliegen nun an finanziellen Mitteln scheitern, ist bitter und steht doch symptomatisch für eine Stadt- und Kulturpolitik, die sich dezentrale Kulturarbeit auf die Fahnen schreibt, nicht aber für den Erhalt eines solchen Raumes einsteht", heißt es in der Aussendung.

In einem Posting auf Facebook schreiben die Vereinsmitglieder: "Es fällt uns schwer, diese Zeilen zu schreiben, denn wir haben euch eine enttäuschende Mitteilung zu machen: Das mo.ë – wie ihr es seit 7 Jahren in verschiedenen Formen kennt – wird am 31. Mai 2017 Geschichte gewesen sein."

Seit Anfang 2016 hatte sich der Kulturverein mit zwei Räumungsklagen herumgeschlagen. Das Urteil im ersten Verfahren, bei dem es um die Gültigkeit des Mietvertrags ging, ist nun gefallen. Die Klägerforderungen aus dem zweiten Verfahren werden im Zuge des Vergleichs ebenfalls fallengelassen. Dabei ging es um Mietzinsrückstände: Moë hatte aufgrund des schlechten Zustands des Gebäudes eine Mietzinsreduktion geltend gemacht, die Jahre später vom Eigentümer beanstandet wurde.

Diskurs um Gentrifizierung

Moë hatte die damals seit rund 15 Jahren leerstehenden Räume im Jahr 2010 bezogen und sich nach und nach als Knotenpunkt der freien Kulturszene in Wien etabliert: mit einem Programm aus Kunst, Musik, Tanz und Performance.

Ende 2015 hätte der Verein ausziehen sollen. Der damalige Eigentümer, ein Immobilienentwickler, wollte den befristeten Mietvertrag nicht verlängern, um das Haus mit Luxuslofts auszustatten. Der Verein hatte aber Bedenken, was die Gültigkeit der Nichtverlängerung des Vertrags betraf – und entschied zu bleiben: um die Gültigkeit prüfen zu lassen, aber auch um einen öffentlichen Diskurs über Gentrifizierung, Kulturpolitik und Stadtentwicklung anzuregen.

Wiederholt betonten die Kunstschaffenden auch die historische Bedeutung der Adresse: Die Familie Mandelbaum – darunter der Schriftsteller Frederic Morton, vormals Fritz Mandelbaum – musste nach Hitlers Machtergreifung emigrieren. Ihr Eigentum ging an die Nazis über, die in der Fabrik Abzeichen für die Wehrmacht herstellten.

Keine neue Spielstätte

"Wir werden nicht aufhören zu fragen, wer den Wert eines Grätzels schafft und wer davon profitiert! Nun gilt es die in diesem Prozess gesammelten Erfahrungen, die unser Recht auf Stadt und künstlerisches Tun betreffen, nicht untergehen zu lassen, sondern dazu beizutragen, weitere Aktionen anzukurbeln, und langfristig widerständig zu bleiben", heißt es angesichts des bevorstehenden Auszugs.

Wie es mit Moë weitergehen wird, sei noch offen. Ersatzräume gebe es nicht. Gespräche mit Stadt und Bezirk seien nötig, sagt Vereinssprecherin Alisa Beck zum STANDARD. Es werde aber "keinen nahtlosen Übergang in eine neue Spielstätte geben, hier wird eine Leerstelle entstehen".

Verbleibende Mieter

Nach eigener Aussage ist nicht nur der Kulturverein im Streit mit dem Eigentümer (seit 2016 ist das die Realtrade Immobilien GmbH). Mehrere Mieter mit unbefristeten Mietverträgen seien "erfolgreich ausgemietet" worden, den Verbleibenden werde es "nach wie vor schwergemacht". Moë ruft dazu auf, ein "besonderes Augenmerk auf das weitere Vorgehen des neuen Hauseigentümers" zu legen.

Aus dem Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) heißt es in einer Stellungnahme an den STANDARD, es sei "bedauerlich", dass Moë "diesen Ort in der Thelemanngasse (sic!) verlassen muss". Der Verein leiste "seit Jahren wertvolle Kulturarbeit, wofür er auch von der Stadt unterstützt wird". Die Stadt Wien könne dem Verein mit der 2016 ins Leben gerufenen Agentur "Kreative Räume" für die Vermittlung von Leerstand bei der Suche nach Räumen zur Seite stehen. (Christa Minkin, 23.2.2017)