Möwen über Marokko

Man könnte sagen, die Umstände waren etwas widrig. Nicht eben ideal, um sich diesem Strand ganz hinzugeben: Das Wetter (im Dezember) viel zu kühl, der Wind zu stürmisch, die Wassertemperatur sicher nicht zum Baden.

Aber dann wiederum: So ein bestechendes Licht schafft nur die kalte Wintersonne Marokkos, dieses klare Blau des Himmels. Mit müden Beinen sitzt man später oben bei den weiß getünchten Häusern auf der winzigen Terrasse des Café Du Coin und trinkt Minztee, isst dazu fettige Eierspeise mit Fladenbrot. Den Blick raus auf das weite Meer gerichtet, hinter die weiße Brandung, dorthin, wo sich heute nur ein paar Windsurfer tummeln – wie ein Versprechen wärmerer Zeiten.

Essaouira, Marokko
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Über alldem kreisen ein paar Möwen. Man schließt seine Augen und hört zu, was sie erzählen. Am Ende gibt man ihnen und sich selbst ein Versprechen. Das Versprechen, wiederzukommen, um tatsächlich einzutauchen in dieses wilde Meer. Irgendwann, wenn die Umstände weniger widrig sind.

Die Sehnsucht nach dem Strand von Essaouira bleibt. Sie fühlt sich an wie die Liebe zu jemandem, den man nie ganz erobert hat. Das kommt noch. Ganz bestimmt. (Mia Eidlhuber, Leitung ALBUM)

Toskanische Tage

Der Strand von Lido di Camaiore ist ein weißer Palimpsest. Die Schirmreihen der Bagni schillern in den Farben der Gürtelrose. In der Ferne hustet das Tyrrhenische Meer blütenweißen Schaum an den Strand. Die Spitzen der toskanischen Gesellschaft entblößen hier ihre Leiber, verteilen den Inhalt rülpsender Flaschen auf blasser Haut. Auch Norditaliener können weiß wie Mehlwürmer sein! Vorsichtig gleiten die Zehen durch das nachgiebige Pulver. An den geraden Tagen bringen sie uralte Kulturgüter ans Licht: Schraubverschlüsse, Plastiksoldaten, ein verdorrtes Kondom.

Camaiore, Toskana, Italien
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An den ungeraden rütteln toskanische Fallwinde am Spalier der Schirme. Natürlich war das Dünsten am Strand nur ein Vorwand. Eine Fahrt auf dem Rad führt nach Viareggio. Hier sinken Grand Hotels, Matronen mit unbewegten Gesichtern, in einen todesähnlichen Schlaf. Puccini saß auf der Rückseite von Viareggio in seiner Villa. Sein Blick fiel auf die nahe Autostrada. Er pflegte zwei Zigaretten gleichzeitig zu rauchen und schrieb alle Schaltjahre eine Oper. Er flanierte stumm über den Strand und beneidete die toskanische Gesellschaft darum, in Lido di Camaiore zu sein. (Ronald Pohl ist Kulturredakteur und Autor.)

Thailändisch texten

"Yai oder Noi", murmelte sie. "Yai oder Noi?" Ein schwerer Seufzer. Dann sank sie wieder in den Tiefschlaf. Er strich ihr durch das schweißnasse blonde Haar, zupfte das Moskitonetz zurecht und flüsterte: "Beides. Vielleicht beides."

Johnatan wandte sich wieder dem Powerbook zu. Der Ventilator schlug einen feuchtwarmen Takt zum Klackern der Tastatur. Er dachte, wenn einer schon Johnatan heißt und ein Powerbook bedienen kann, dann müsste er doch wohl auch das Zeug zum Schriftsteller haben!

Thong Nai Pan, Thailand
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Müsste, ja. Aber bei ihm reichte es zu keinem ordentlichen Text. Seit ihn der adrette Minister-Streber wegen harmloser Scherz-Memos über den deutschen Papst aus dem Foreign Office geworfen hatte, war es überhaupt vorbei mit dem Ordentlichen in seinem Leben.

Natürlich, der "Telegraph" hatte seine Witzchen abgedruckt. Aber war es fair, dass er sich deswegen heute mit einer lächerlichen Strand-Kolumne im "GQ" über Wasser halten musste? Noi oder Yai. Vollkommen egal. Der ganze Thong Nai Pan Beach ist der schönste Strand der Welt! Genau das würde er jetzt hinschreiben. Und so würde er es auch zu Eve sagen, wenn sie morgen aufwachte. Der schönste Strand. Punkt. Absatz. Neubeginn. (Christoph Prantner, Leitender Redakteur Meinung)

Albanischer Austausch

"Dort oben habe ich meine Unschuld verloren", sagt Kreshnik und deutet mit dem Grillspieß auf einen Bunker. Hunderttausende der schwammerlförmigen Schutzbauten hat Diktator Enver Hoxha bis zu seinem Tod im Jahr 1985 vor allem in Küstennähe errichten lassen. Mehr als eine Generation später werden die Bunker immer noch benutzt: für den Austausch von Zärtlichkeiten im Jugendalter. Safer Sex ist in Albanien bombensicher.

Nach zehn Jahren ist Kreshnik mit Emira, die nun seine Ehefrau ist, an den schwer erreichbaren und daher völlig unverbauten Strand von Gjipe zurückgekehrt. Um sich mit Ghettoblaster und Grillgut an die in Stahlbeton beschlossene Liebe zu erinnern. "Nehmt euch auch einen Spieß", sagt Kreshnik mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der er als Auftakt zu einem Gespräch mit Fremden den Ort seiner Mannwerdung preisgab.

Ob der Strand von Gjipe auch in zehn Jahren noch so jungfräulich ist, scheint unklar. Immer wieder ist zu lesen, dass sich internationale Investoren für diese maritimen Begegnungszonen interessieren. Noch gilt für albanische Strände allerdings die Unschuldsvermutung. (Sascha Aumüller, Redakteur beim RONDO für Reisen.)