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Erfahrung ist nicht wichtig, aber schön muss sie sein: Russische Stewardessen beklagen Diskriminierung bei der halbstaatlichen Airline Aeroflot.

Foto: reuters

Jewgenia Magurina arbeitet seit 2010 bei Aeroflot, seit 15 Jahren überhaupt als Flugbegleiterin, bis vor einem Jahr als Chefstewardess, vor allem bei Auslandsflügen. Sie hat ein abgeschlossenes Sprachstudium und wurde wegen ihrer guten Arbeit mehrfach prämiert. Doch das ist Geschichte, denn Jewgenia ist nun 41 Jahre alt und wird fast nur noch auf den schlechter bezahlten Inlandsflügen von Aeroflot eingesetzt.

Die Veränderungen kamen im vergangenen Sommer: "Uns allen wurde gesagt, dass nur noch Junge und Schlanke ins Ausland fliegen. Wir wurden massenweise fotografiert und vermessen, einige sogar gewogen", erzählt Magurina. Dies sei unter dem Vorwand einer neuen Marketingstrategie und der Bestellung neuer Uniformen geschehen, doch dann wurden ältere und dickere Flugbegleiterinnen gemobbt. "Alle, die älter als 40 waren oder eine Kleidergröße von über 48 (entspricht der Größe M) hatten, wurden vom Auslandsflugplan gestrichen", sagt Magurina.

Nur mehr Nacht- oder Frühflüge

Seither hat sie nur noch Nacht- oder kurze Frühflüge. Das bedeutet wenig Schlaf und wenig Geld, da sich die Bezahlung nach der Anzahl der Flugstunden richtet.

Magurina ist nicht allein mit ihren Sorgen. Insgesamt sollen rund 400 Stewardessen betroffen sein. Wer von Aeroflot in die "Gruppe der Alten, Dicken und Hässlichen" eingestuft wurde, "deren Flugstunden wurden von möglichen 90 auf 60 oder sogar 40 Stunden gekürzt", erzählt die 42-jährige Natalja.

Die Leiterin der Gewerkschaft der Flugbegleiter in Scheremetjewo, Ilona Borisowa, bestätigte die Vorwürfe. Für junge hübsche Frauen gebe es keine Einschränkungen, wer der Konzernführung hingegen nicht gefalle, müsse kurze Flüge innerhalb Russlands begleiten. "Auf diese Weise hängt die Größe des Gehalts von der Kleidergröße ab – je kleiner das Kleid, desto größer das Gehalt", so Borisowa.

Klage eingereicht

Einige von den Betroffenen haben nun Klage vor einem Moskauer Bezirksgericht eingereicht. Registriert wurde bislang die Klage von Magurina, die laut einer Gerichtssprecherin am 22. März verhandelt werden soll. Zuvor waren die Stewardessen mit Beschwerden vor der russischen Luftfahrtagentur und der Arbeitsschutzbehörde gescheitert.

Ein Sprecher der Fluggesellschaft sagte, Aeroflot habe die Klage noch nicht bekommen. Den Vorwurf der Diskriminierung aufgrund von Alter und Gewicht wies das Unternehmen dabei zurück. "Bei der Arbeit mit dem Personal hält sich Aeroflot strikt an die Vorgaben des russischen Gesetzes in Übereinstimmung mit den besten internationalen Praktiken", teilte der Konzern in einer Pressemitteilung mit. Aeroflot achte auf die Gleichberechtigung. Als wichtigste Kriterien bei der Personalauswahl gelten Kontaktfreudigkeit, Freundlichkeit, Fremdsprachenkenntnisse und ein gepflegtes Äußeres, so Aeroflot.

Konzern: Gegenbeweise

Sollte es zu einem Prozess kommen, sei Aeroflot bereit, Listen hunderter Stewardessen vorzulegen, die sowohl 2016 als auch 2017 auf internationalen Routen eingesetzt worden seien, obwohl sie älter als 40 Jahre alt sind, sagte eine Sprecherin. Selbst Magurina sei erst am Dienstag auf Auslandsreise gegangen, hieß es weiter. Freilich ging der nach Karaganda in Kasachstan.

Das russische Gesetz verbietet eine Diskriminierung nach Alter und Aussehen. Entsprechende Vergehen seien aber schwer nachzuweisen, weil Arbeitgeber diese Politik in der Regel "gut maskieren", erklärt der Anwalt Wladimir Starinski. Die gemobbten Aeroflot-Stewardessen glauben trotzdem, gute Chancen vor Gericht zu haben. (André Ballin aus Moskau, 23.2.2017)