Gemeindebau in Wien: stolze Tradition, Sand im Getriebe.

Foto: Robert Newald

Wenn man wissen will, was "Chuzpe" in der Wiener Stadtverwaltung bedeutet, muss man nur den Originaltextservice der Austria Presse Agentur vom Dienstag durchforsten. Man findet hier einen Text, in dem der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig die "nächste Wohnbau-Etappe" in der Seestadt Aspern bejubelt. Es geht hier nicht etwa um den Start für die Wettbewerbe zur Auswahl der besten Wohnprojekte – dieser erfolgte, informiert Ludwig in derselben Aussendung, erst kürzlich.

Nein, mit dem langen Text soll lediglich darauf hingewiesen werden, was der Wohnbaustadtrat vorhat in der zeitgleich laufenden, dienstäglichen "Bürgermeisterpressekonferenz" zu verkünden. Kein Wort von dem Desaster bei Wiener Wohnen, wo immerhin 32 Mitarbeiter unter Bestechlichkeitsverdacht stehen. Dass die Sache dann doch noch zur Sprache kam, lag ausschließlich an den anwesenden Journalisten, die sich nicht mit Aspern-Jubel zufriedengeben wollten.

Alles in Ordnung ...

Doch sieht Ludwig ein Problem? Mitnichten, er erzählte quasi schon wieder eine Erfolgsgeschichte. Durch die eiserne interne Revision sei man selbst hinter die Malversationen gekommen, und dann habe man die Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet. Dass bis zur Anzeige ganze zwei Jahre verstrichen und dass man auf den schwerwiegenden Verdacht hin Versetzung für das adäquate dienstrechtliche Mittel hielt, findet der Stadtrat total in Ordnung.

Das ist Realitätsverweigerung in ihrer höchsten Form, fast schon zur Kunstform perfektioniert – oder eine höchst untaugliche Verteidigungsstrategie. Denn bei Wiener Wohnen gibt es ein Führungsproblem und eine politische Verantwortlichkeit – und die wird Ludwig nur schwer wegdiskutieren können.

... oder doch ein Problem

Wenn eine Einzelperson bestechlich ist und dabei eine solche kriminelle Energie entwickelt, dass sie diese Bestechlichkeit vertuscht, kann es vorkommen, dass die interne Kontrolle dies eine Zeit lang übersieht. Wenn 32 Personen mutmaßlich in die eigene Tasche wirtschaften, dann ist etwas faul im System. Spätestens 2012, als man über das Ausmaß der Malversationen Bescheid wusste, hätte Ludwig als zuständiger Stadtrat den Stadtrechnungshof um eine Effizienzprüfung ersuchen können. Hat er aber nicht getan.

Es ist auch etwas faul in einem System, wenn viele kleinere Gemeindebauten seit Jahren dringend saniert werden müssten; wenn bei Renovierungsarbeiten die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut; wenn das neue Vergabesystem für Gemeindewohnungen so undurchsichtig ist, dass sich selbst Spezialisten schwer tun; wenn Vormerkungen nicht länger gültig sind – und das den Betroffenen oftmals nicht einmal mitgeteilt wird.

Wien ist auch deshalb anders, weil es eine historische, stolze Tradition im sozialen Wohnbau hat. Wiener Wohnen ist eine der wichtigsten Einrichtungen dieser lebenswerten Stadt. Vorausgesetzt, sie funktioniert. (Petra Stuiber, 24.2.2017)