Eines steht fest: Masern sind keine Kinderkrankheit. Denn eine solche verfügt über zwei Eigenschaften: Sie ist für den Betroffenen fürchterlich unangenehm, aber weitgehend harmlos. Auf Masern trifft nur Ersteres zu. Sie sind eine hochansteckende Viruserkrankung. Folgeschäden wie chronische Gehirnentzündungen (Enzephalitis) können noch Jahre nach der eigentlichen Infektion auftreten und enden mit Sicherheit tödlich.

Im Februar, also im zweiten Monat des neuen Jahres, sind bereits mehr Erkrankungen registriert worden als im gesamten Vorjahr. Bei 55 Fällen kann man sagen: "Schlimm für die Kranken, Bedrohung ist es aber keine." Zu diesem Schluss sollte man sich aber nicht hinreißen lassen. Darüber hinwegzusehen, dass eine Krankheit, die längst ausgerottet sein könnte, eine Renaissance erlebt, ist eine Fehleinschätzung. Anscheinend sind sich viele Österreicher nicht des Risikos bewusst oder ignorieren wissentlich, auch Überträger der Viren zu sein. Beides darf in einem aufgeklärten Land nicht vorkommen – es ist schlicht verantwortungslos.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Ziel ausgelobt, bis 2020 Masern auszurotten. Dazu benötigt es eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent, in Österreich liegt sie deutlich darunter, genaue Zahlen gibt es aber nicht, nur Hochrechnungen auf Basis der Krankheitsfälle. Warum beharrliche Verweigerer einer Schutzimpfung eine Gefahr darstellen? Weil es wichtig ist, einen Herdenschutz aufzubauen. Eine Masernimpfung ist erst kurz vor dem ersten Lebensjahr möglich. Säuglinge sind für bestimmte Infektionskrankheiten besonders anfällig, und der Ausbruch ist für einen kleinen Körper auch deutlich schwieriger zu bewältigen. Welcher vernünftige Mensch will seinem Kind das Risiko von hohem Fieber, Schmerzen und möglichen Folgeschäden zumuten?

Sind Erwachsene geimpft, können sie die Krankheit weder übertragen noch bekommen. Sie schützen damit ihr Umfeld, ihre Kinder. Das gleiche Argument zählt auch für ältere und geschwächte Personen. Wer krank ist und im Spital liegt, darf keinesfalls der Gefahr ausgesetzt sein, von nicht geimpftem Personal angesteckt zu werden: Das sollte selbstverständlich sein.

Es ist arrogant zu behaupten, Krankheiten seien sinnvoll, um den Körper zu stärken. Das, liebe Impfgegner, nennt sich Sozialdarwinismus und bedeutet, dass nur die Stärksten überleben sollen.

Wer das Risiko sucht, kann das gerne in anderen Bereichen ausleben, doch die Gesellschaft wegen Ignoranz, Egoismus und fehlgeleiteter Ideologie in Mitleidenschaft zu ziehen, ist grob fahrlässig. Medizinische Errungenschaften wie Immunisierungen sind Meilensteine für die Gesamtbevölkerung, Solidarität ist hier überlebenswichtig. Ob ein Appell an die Vernunft ausreicht, um die Impfmoral zu heben, ist fraglich. Viele Gegner scheinen sich vor allem gegen rationale Argumente immunisiert zu haben.

Eine Impfpflicht mag kompromisslos wirken, doch ist sie unumgänglich. Erfahrungen aus Ungarn und Tschechien zeigen, dass Ausbrüche dadurch verhindert werden können. In Europa gibt es nur in Kroatien mehr Erkrankungen als in Österreich. Der vorletzte Platz ist besorgniserregend. Es ist eine Bedrohung, die nicht kleingeredet werden darf, vor allem, wenn es bereits die Möglichkeit gibt, diese Krankheit endgültig zu besiegen. (Marie-Theres Egyed, 23.2.2017)