Mittelfristig braucht es einen effektiven politischen Gegendiskurs – hier sind Lehren zu ziehen, die auch für Österreich relevant sein könnten.

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An den Universitäten der USA herrscht Panikmodus. Seit der Machtübergabe im Weißen Haus macht sich Donald Trumps Team im Eiltempo daran, seine Ankündigungen aus dem Wahlkampf umzusetzen. Insbesondere die plötzlichen Einreiseverbote für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern haben die sehr internationalen Universitäten direkt getroffen. Und sie haben zu Massenprotesten geführt, bei denen selbst republikanisch wählende Professoren mit Transparenten auf die Straße gingen. Widerstand formiert sich also, aber kann er Erfolg haben? Welche Ziele und welche Handlungsspielräume hat Trump, und welche seine Gegner?

Trumps Weltbild

Es ist leicht, Trump als einen Clown mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung abzutun. Aber sein Wahlkampf und seine Erlässe sind von einem konsistenten Weltbild geprägt, das dem rechtsradikaler Parteien in Europa nicht fern ist.

Da ist zum einen die vermeintliche Rebellion gegen das "Establishment" – die Parteien, Technokraten, Journalisten, Professoren et cetera. Diese Gruppen, geeint durch höhere Bildungsabschlüsse, einen kosmopolitischen Lebensstil und eine mehrheitlich linksliberale Weltsicht, werden als Teil einer herrschenden Klasse gesehen, die es zu entmachten gilt. In dieser Rebellion gegen eine kulturell dominante Schicht wird es nicht als Widerspruch gesehen, dass Trumps Kabinett aus lauter Multimilliardären, Bankern und Ölmanagern besteht.

Da ist zum Zweiten die Annahme, dass die Welt aus Nullsummenspielen besteht – was eine Seite gewinnt, verliert die andere. Trump spricht gern von seinem Geschick, gute Deals auszuhandeln, bei denen es letztlich darum geht, der anderen Seite möglichst viel Geld abzuknöpfen. Diese Sicht wird auf alle wirtschaftlichen Belange umgelegt, insbesondere auf Migrationspolitik und Außenhandel – was für andere gut ist, muss für die USA schlecht sein, da Jobs "gestohlen" werden durch Migranten und andere Länder. Trumps Slogan "America first" heißt deswegen vor allem einmal, die Grenzen dichtzumachen und internationale Verpflichtungen aufzukündigen.

Und da ist schließlich offener Fremdenhass, ob gegen Menschen aus Mexiko, aus muslimischen Ländern oder aus China. "Make America great again" heißt die Rückkehr in ein fiktives Idyll der 1950er-Jahre, als die USA noch weiß dominiert waren.

Warum die republikanischen Abgeordneten mitmachen

Gegen den Widerstand von Kongress und Höchstgericht kann der US-Präsident nur wenig erreichen, wie Barack Obama schmerzlich erfahren musste. Allerdings sind der Kongress und bald das Höchstgericht republikanisch dominiert. Anfänglich gab es die Hoffnung, die republikanischen Abgeordneten in Repräsentantenhaus und Senat würden Trumps Plänen mit Ablehnung begegnen und so Schlimmeres verhindern. Schließlich scheint sein Auftreten republikanischen Grundüberzeugungen entgegenzustehen: Er ist gegen Freihandel, beschimpft Kriegsveteranen, tritt gegen Religionsfreiheit auf. Diese Hoffnung scheint sich nicht zu bewahrheiten; die republikanische Partei steht nahezu geschlossen hinter Trump, und wird ihm wohl erlauben, seine Vorhaben ungehindert zu verwirklichen.

Warum? Trotz der Stilbrüche und der Gegnerschaft zum Freihandel wird Trump wesentliche republikanische Ziele umsetzen, die sich als Interessenpolitik für Reiche zusammenfassen lassen. Die Steuern für Spitzeneinkommen sollen gesenkt werden, die Finanzmärkte weiter dereguliert, Antigewerkschaftsgesetze werden erlassen, und die Gesundheitsreformen Obamas, die Millionen Menschen Zugang zu Krankenversicherungen ermöglichten, sollen rückgängig gemacht werden.

Strategien des Widerstands

Auf die "checks and balances" von Kongress und Höchstgericht wird man also zunächst einmal nicht setzen können. Welche Strategien des Widerstands haben die Gegner von Rassismus, Autoritarismus und Umverteilung nach oben dann?

Zum ersten sind da die Gerichte, die in den USA viel Macht besitzen. Zahlreiche NGOs, allen voran die American Civil Liberties Union, haben begonnen, Gerichtsprozesse gegen religiöse Diskriminierung oder Einreiseverbote anzustrengen, schon mit ersten Erfolgen. Diese Erfolge sind unter anderem dem (anfänglichen?) Dilettantismus der Trump-Administration zu verdanken, die ihre Erlässe erst gar nicht auf Rechtsverträglichkeit überprüfen lassen hat.

Zum Zweiten ist da der Föderalismus. Zahlreiche Bundesstaaten mit vielen Migranten haben demokratische Mehrheiten, insbesondere Kalifornien und New York. Und die großen Städte des Landes haben fast alle progressive Mehrheiten. Um die angekündigten Massendeportationen durchzuführen, braucht es die Kollaboration der lokalen Polizei, die viele dieser Städte verweigern wollen ("sanctuary cities"). Auch für andere Themen liegen Entscheidungskompetenzen bei Staaten und Städten. Die Gegenstrategie der Trump-Administration wird sein, diese Staaten und Städte finanziell auszuhungern, bis sie kollaborieren.

Zum Dritten wird versucht, Druck auf Kongressabgeordnete aufzubauen, die in zwei Jahren zur Wiederwahl anstehen. Inspiriert durch die Erfolge der Tea-Party-Bewegung, werden deren Taktiken übernommen. Insbesondere Massenanrufe bei Abgeordneten sollen diese dazu bewegen, gegen Trumps Maßnahmen zu stimmen, im Interesse der eigenen Wiederwahl.

Gegendiskurs

Diese Strategien zielen darauf ab, kurzfristig die Umsetzung der Trump'schen Agenda zu verhindern. Mittelfristig braucht es einen effektiven politischen Gegendiskurs, und hier sind Lehren zu ziehen, die auch für Österreich relevant sein könnten. Dabei gilt es insbesondere nicht in die Falle zu tappen, das Trump'sche Weltbild zu bedienen.

Die Antwort auf Anti-Establishment-Rhetorik kann nicht sein, den postulierten Gegensatz zu akzeptieren und Trump-Wähler als ungebildete und provinzielle Gegenseite zum gebildeten kosmopolitischen Establishment zu sehen; damit wird das Trump-Weltbild nur bestätigt. Stattdessen sind andere Gegensätze und Gemeinsamkeiten zu betonen – viele Trump-Wähler haben ökonomische Interessen, die jenen von Trumps Kabinett und seiner republikanischen Unterstützer diametral entgegenstehen. Dabei sind die realen Schwierigkeiten vieler Trump-Wähler – etwa fehlende Jobs, stagnierende soziale Mobilität – ernst zu nehmen, statt auf die eigene kulturelle Überlegenheit zu pochen.

Die Antwort auf ein Weltbild voller Nullsummenspiele muss sein, die gemeinsamen Interessen mit Migranten zu betonen; ein Migrant mehr bedeutet sicher nicht ein Job für Alteingesessene weniger. Und im Konflikt um Staatsausgaben stehen Bankenrettungen eher im Gegensatz zu Sozialleistungen als die ohnehin sehr begrenzte Hilfe für Geflüchtete. (Maximilian Kasy, 27.2.2017)