Ein "Youtube" für das Wiener Alltagsleben.

Foto: Österreichische Mediathek

Videos aus dem Urlaub, beim Sporteln, von Partys oder den Kindern – es ist heute für Privatnutzer zur Selbstverständlichkeit geworden mit dem Smartphone Videos aufnehmen und sie mit anderen im Netz teilen zu können. Früher bedurfte es dazu schon eines umfangreicheren Equipments. Und teilen, das ging höchstens im Kreis von Familie und Freunden daheim. Ein Projekt der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums Wien macht nun private Videos aus mehreren Jahrzehnten online zugänglich.

3.000 VHS-Kassetten digitalisiert

Für den Wiener Video Rekorder wurden über 3.000 Videokassetten mit Aufnahmen von in Wien lebenden Menschen ab den 1980er-Jahren digitalisiert. Die ersten 500 Videos sind auf einer neu gestarteten Website öffentlich zugänglich. Dort kann man sich durch zahlreiche private Dokumentationen wühlen – nach Kategorien sortiert oder nach Stichworten suchend. Die Ergebnisse lassen sich zeitlich eingrenzen.

Am häufigsten wurde der Alltag von Freunden und der Familie festgehalten, gefolgt von Freizeitaktivitäten, Festen und Reisen. Mit dem Aufkommen der Videotechnologie haben sich auch die Möglichkeiten geändert. Anders als bei den teuren Filmrollen konnte nun billiger und somit länger gedreht werden, was den Blick auch auf vermeintliche Nebensächlichkeiten gelegt habe, sagte Leiterin Gabriele Fröschl am Freitag bei der Präsentation des Projekts.

"Georg, bitte bleib herunten da"

Als Beispiel dafür diente heute etwa ein sehr ausführlicher Schwenk über eine angerichtete Hochzeitstafel oder Umgebungsaufnahmen aus Hietzing 1997. "Solche Dokumente erlauben Einblicke in das frühere Stadtbild und den öffentlichen Raum", so Fröschl. Abgesehen von den Kosten war auch die erstmalige Möglichkeit, den Ton gleich mit dem Bild festzuhalten, reizvoll – was folglich auch unfreiwillige Off-Kommentare zur Folge hatte. "Georg, bitte bleib herunten da", rügt da etwa ein Vater seinen Sohn, der beim Tiergartenausflug Anfang der 1980er-Jahre gerade dabei war, aufs Geländer des Eisbärbeckens zu klettern.

Eine der Stimme nach ältere Dame hat wiederum Urlaubseindrücke einer Kroatienreise – damals noch Jugoslawien – 1989 für die Nachwelt dokumentiert. "Gitti, Wolfi, schaut's her einmal", wünscht sie sich weniger Kamerascheu von den Mitreisenden. "Interessant bei diesen Reisevideos ist der Blick auf die Fremde", meint Fröschl. Und auch der Trend von Europa- zu Fernreisen im Lauf der Zeit wird anhand der Clips sichtbar.

Herstellung von Gegenöffentlichkeit

Video diente aber auch der Herstellung von Gegenöffentlichkeit. So hielten Aktivisten etwa 1983 die Räumung des selbst verwalteten Zentrums "Gassergasse" (GAGA) auf Band fest, um der öffentlichen Berichterstattung ihre Sicht der Dinge entgegenzuhalten.

Aufgetrieben hat man die Videos mit öffentlichen Aufrufen an die Bevölkerung. Viele stellten ihr Material nicht zuletzt deshalb zur Verfügung, weil die Mediathek den Spendern jeweils eine digitale Kopie der Aufnahmen überließ. Gänzlich öffentlich einsehbar ist der gesammelte Bestand nicht, aber immerhin jene 500 Clips, "wo es rechtlich und ethisch möglich war".

Gabriele Zuna-Kratky, Direktorin des Technischen Museums, betonte die Wichtigkeit dieses "Gedächtnisspeichers". Durch die Betrachtung von Vergangenem könne man das Gegenwärtige besser bewerten und verstehen, sagte sie. Das Projekt wurde mit 237.000 Euro vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) gefördert. (br/APA, 24.2.2017)