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Hat gut lachen: Premierministerin Theresa May.

Foto: REUTERS/Toby Melville/File Photo

Zwei Nachwahlen zum Unterhaus haben die unangefochtene Stellung von Premierministerin Theresa May zementiert. Im mittelenglischen Stoke-on-Trent verfehlte der Vorsitzende der nationalistischen Ukip, Paul Nuttall, den schon sicher geglaubten Einzug ins Parlament; die EU-Feinde sind dadurch schwer, womöglich tödlich angeschlagen. Im nordenglischen Wahlkreis Copeland eroberte Mays konservative Partei zum ersten Mal seit 1935 das Mandat von der Labour Party. Tory-Generalsekretär Patrick McLoughlin interpretierte das Ergebnis ausdrücklich als eine Bestätigung für Mays Brexit-Politik, die Regierungschefin sprach von einem "erstaunlichen Sieg".

Nachwahlen sind traditionell ein wichtiger Gradmesser für die Popularität der Parteien. Häufig werden sie von der Wählerschaft als begrenzte Strafaktion der jeweiligen Regierung und zur Ermutigung der Opposition benutzt. Diesmal stellte sich die Ausgangslage für die Labour Party unter Jeremy Corbyn allerdings wenig vielversprechend dar. Beide Urnengänge waren nötig geworden, weil die als heftige Kritiker der Parteiführung bekannten Abgeordneten ihre Mandate zugunsten sicherer Jobs in der Privatwirtschaft aufgaben. In großen Teilen der Labour-Fraktion herrscht Existenzangst, weil der Partei auch in bisher als sicher geltenden Wahlkreisen die Wähler in Scharen davonlaufen.

"Brexit Hauptstadt" Stroke

In der Stadtmitte von Stoke verzeichnete die alte Arbeiterpartei vor 20 Jahren noch einen Wähleranteil von 66 Prozent. Am Donnerstag entschieden sich nur noch 37 Prozent der Wahlberechtigten für den Labour-Kandidaten, Ukip und Tories lagen mit je gut 24 Prozent deutlich zurück. Nuttalls Optimismus gründete vorab auf Stokes Ruf als "Brexit-Hauptstadt": Beim EU-Referendum im vergangenen Juni hatten 70 Prozent für den EU-Austritt gestimmt. Doch der 39-jährige Europa-Abgeordnete wurde im Wahlkampf mehrfach dabei ertappt, dass er seinen Lebenslauf verschönert hatte. Sowohl eine Karriere als Profifußballer wie auch ein angeblicher Doktortitel stellten sich als frei erfunden heraus. Zudem war Labours "Organisation im Wahlkreis exzellent", wie Professor Mick Temple von der örtlichen Staffordshire-Universität beobachtete.

Auch in Copeland holte die örtliche Labour-Kandidatin 37 Prozent. Weil aber für ihre konservative Kontrahentin 44 Prozent der Wähler stimmten, konnte die Regierungspartei einen denkwürdigen Sieg feiern. May reiste am Freitag eigens in den abgelegenen Wahlkreis und gratulierte der 40-jährigen Kommunalbeamtin Trudy Harrison zum Mandat. "Dies ist der erste Nachwahlsieg einer Regierungspartei seit 35 Jahren", brüstete sich die Premierministerin stolz. 1982 war ein Labour-Abgeordneter zur damals neugegründeten SDP übergetreten, löste ehrenhafterweise eine Nachwahl aus und verlor sein Mandat an die Tories unter Maggie Thatcher.

Mehr als fünfzig Jahre

Der historisch versierte Politikprofessor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität zog deshalb ein noch länger zurückliegendes Beispiel heran. Dass eine amtierende Regierung bei einer Nachwahl der größten Oppositionspartei den Wahlkreis abjagte, sei zuletzt im Jänner 1966 passiert, berichtete der Experte der BBC. Der damalige Labour-Premier Harold Wilson rief im gleichen Jahr vorzeitige Neuwahlen aus und gewann mit klarer Mehrheit.

Ob Theresa May ähnliche Pläne hegt? Bisher hat die als vorsichtig geltende 60-Jährige dies stets weit von sich gewiesen, obwohl ihr Mandatsvorsprung im Unterhaus lediglich 16 beträgt. Eine Gesetzesänderung hat Abweichungen von der normalen fünfjährigen Legislaturperiode schwierig gemacht, zudem hält die Bevölkerung bekanntermaßen wenig von unnötigen Urnengängen. Aus konservativer Sicht könnte zudem eine Rolle spielen, dass der linksradikale Labour-Chef Corbyn verheerende Umfragewerte erzielt und als unwählbar gilt. In den Brexit-Debatten der vergangenen Wochen waren die Sozialdemokraten zerstritten und zu einer kohärenten Opposition nicht in der Lage. Für die Premierministerin gibt es wenige Gründe, diese für sie vorteilhafte Situation zu gefährden. (Sebastian Borger aus London, 24.2.2017)