In der jüngsten Berichterstattung über die Berufungen an österreichische Universitäten wurden erstmals Bedenken laut, die leider viel zu spät in die Öffentlichkeit kommen: Gemäß dem Bericht im ORF ist unter anderem die Zeitgeschichte "fest in deutscher Hand", sodass eine österreichische Version des Faches kaum mehr vorhanden ist. Und die Zeitgeschichte ist nicht das einzige Fach, für dessen Lehre ausschließlich deutsche "Personalressourcen" herangezogen werden.

Vor dreißig Jahren hat es an der medizinischen Fakultät in Innsbruck begonnen, wobei die spätere Eigenständigkeit der medizi nischen Universitäten sich noch mehr in diese Richtung ausgewirkt hat. Offensichtlich waren die Ausbildungskriterien und die Pflege des Nachwuchses an den österreichischen Universitäten so schlecht oder die Förderung so gering, dass bei Bewerbungen österreichische Interessenten kaum mehr geeignet erschienen.

Schubert, ein Deutscher

Man muss aber auch anmerken, dass nun die furchtbare Folge des Assistentengesetzes von 2000 voll zum Tragen kommt. So war nicht nur in der Kunstgeschichte die "Eindeutschung" zu beobachten, in den Sozialwissenschaften und in einer Reihe philologischer Fächer. Daher gibt es keine Spe zialvorlesung mehr über österreichische Malerei, wie beispielsweise Franz Schubert inzwischen zur deutschen Musik gezählt wird, also in etwa zu Wagner oder Schumann. Stück für Stück geht das österreichische Idiom verloren.

Vergleicht man diese Entwicklung mit jener um 1860, so war spiegelbildlich die gleiche Situation erzielt worden. Zwischen Theodor Billroth und Theodor von Sickel waren von Leo Thun vornehmlich "deutsche" Professoren nach Wien berufen worden. Sie zählten zur wissenschaftlichen Opposition an ih ren Universitäten, und mit Handkuss verabschiedete man sie in die Donaumonarchie.

Spion und Querkopf

Sickel war ein besonders bitteres Beispiel, denn vor seiner Berufung nach Wien, um das Institut für österreichische Geschichtsforschung zu gründen, spionierte er gegen Österreich in Paris während der Jahre 1850 bis 1860 als Be fürworter einer "kleindeutschen" Lösung des Deutschen Bundes. Freilich meldete das preußische Innenministerium prompt, ob man an der Donau den Verstand verloren habe, alle deutschen Querköpfe und revolutionären Geister an die Universitäten der Donaumon archie zu berufen?

Wissenschaftlich gab der Erfolg dem Univer sitätsreformer Leo Thun recht, denn in ein paar Jahren besaßen die Universitäten der Donau monarchie Weltruf. Allerdings war der politische Preis extrem hoch. Die meisten Professoren waren deutschnational, von Bismarck begeistert und propagierten den Anschluss an Deutschland, also den Verlust österreichischer Eigenständigkeit.

Durch diesen Einfluss wurden die meisten Studenten im Vor auskonformismus deutschnational, chauvinistisch sowie antisemitisch, traten Burschenschaften bei und übten sich in Deutschtümelei dümmster Prägung. Es ist ein hinlänglicher Nachweis, dass fachliche Kompetenz von der Physik bis zur Philosophie keineswegs mit politischem Scharfsinn gekoppelt sein muss. Hätte es unter den Wissenschaftern nicht einen erheblichen Anteil jüdischer Gelehrter gegeben, so wäre diese nationalistische Tendenz noch stärker zum Vorschein gekommen.

Das bedeutet für unsere Gegenwart zwar nicht, dass die deutschen Professoren und Professorinnen in dieser unseligen Denkungsart verblieben, doch es mehren sich Beispiele dafür, die ös terreichische "Begabungsreserve" nicht zu fördern, an der Entwicklung der Institute nur wenig Anteil zu nehmen, hingegen bei nächster Gelegenheit sofort wieder nach Deutschland zu verschwinden.

Kein Interesse an Österreich

Sehr oft wird von den Berufenen der Mitarbeiterstab aus Deutschland mitgenommen, und dieser findet sich natürlich in den Untiefen örtlichen Geisteslebens kaum zurecht. Es gibt daher keine dezidierte Analyse österreichischer Gesellschaft mehr, wie auch die deutschen Kollegen an den Spe zifika des Landes kaum Interesse zeigen. Das alles wurde an eine dürftige Umfrageforschung abgetreten.

Nun ist diese Kritik kein Plädoyer für österreichische Provinzialität, sondern interessant ist, dass die Kommissionen an den Fakultäten entweder aus Missgunst österreichische Mitbewerber boykottieren, so diese noch im Inland blieben, oder aber bereits von deutschen Kollegen majorisiert werden. Diese pflegen neue Seilschaften, die die Mittelbaumentalität österreichischer Provenienz verdrängten. Es ist die logische Konsequenz jener Einebnung zur Mittelbau-Universität, die unter Erhard Busek eingeführt und von Elisabeth Gehrer bestätigt wurde. Ihre Mediokrität zeichnet sich dadurch aus, seit gut 25 Jahren al ternative wissenschaftliche Zuschnitte bewusst verdrängt zu haben. Die Dogmatisierung der Lehrinhalte, die dann mit dem "Bolo gna-Prozess" ausschließlich bevorzugt wurde, sah generell deutsche Bewerber rhetorisch samt Powerpoint-Präsentation im Vorteil, wobei dann auch nur eher zweitrangige Qualifikanten plus Frauenquote guten Eindruck hinterließen, die grundsätzlich bei Gremien verlorener Fachkompetenz in Österreich allerorten bevorzugt werden. Das Kriterium war generell die Formalisierung der Wissensinhalte in fast allen Bereichen und ein jämmerlicher Pseudoempirismus. So hält man sich generell Konkurrenten vom Leib und kann sich im Selbstlob baden, natürlich diese großartigen Deutschen berufen zu haben. So sind unsere Universitäten zum Hinterland einer deutschen wissenschaftlichen Sekundärgarnitur geworden.

Dem Minister nachweinen

Es ist schon absurd, der ministeriellen Berufungspolitik nachweinen zu müssen, die offenbar weit öfter Qualitätskriterien geltend machte, als die universitätseigenen Gremien es heute im Sinn haben.