Jean-Claude Juncker und Angela Merkel (Archivbild 2016) dachten in Berlin bei einem vertraulichen Essen über die Zukunft Europas nach.

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In der EU-Kommission und den Hauptstädten der Union startet ab dem Wochenende eine Intensivphase zur Vorbereitung einer größeren EU-Reform für die Zeit nach einem Austritt Großbritanniens 2019. Ende März treffen sich die Staats- und Regierungschefs dazu bei einem EU-Sondergipfel in der italienischen Hauptstadt.

Äußerer Anlass ist das 60-Jahr-Jubiläum der "Verträge von Rom", die als Gründungsdokument der Gemeinschaft gelten. Seit 1957 wurde die Integration schrittweise weiterentwickelt bis zur heutigen Union mit gemeinsamer Währung und Außenpolitik. Seit der Wirtschafts- und Migrationswelle und der Brexit-Entscheidung im Juni 2016 hat sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass die EU-27 neue Wege beschreiten muss, wenn sie überleben will. Man ist aber total uneinig über das Wie. EU-Reformen dauern in der Regel Jahre bis zur Umsetzung.

"Weißbuch" zur EU-Reform

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereitet im Auftrag der Staaten ein sogenanntes "Weißbuch" zur EU-Reform vor, das schon nächste Woche, möglicherweise aber doch erst nach den Wahlen in den Niederlanden Mitte März präsentiert werden wird. Wie er bei einem Vortrag in Louvain-la-Neuve in Belgien betonte, werde das aber nur eine Diskussionsgrundlage "ohne Tabus" sein, nicht ein fertiges Konzept.

Mittwochabend hat sich der Präsident in Berlin bei einem vertraulichen Essen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel dazu abgestimmt. Das Hauptelement der Vorschläge (die in mehreren Optionen vorgelegt werden dürften) soll die "alte" Idee einer "Union verschiedener Geschwindigkeiten" ausmachen. Demnach soll ein "Kern" von Staaten der Gemeinschaft sich auf freiwilliger Basis viel tiefer zusammenschließen können als bisher – vor allem sicherheits- und sozialpolitisch nach Junckers Vorstellungen.

Merkel hatte sich bereits beim EU-Gipfel in Malta im Februar in diese Richtung festgelegt. Dazu passt der jüngste Vorschlag aus Berlin, den Eurorettungsfonds (ESM) zu einem europäischen Währungsfonds (EWF) auszubauen, damit der IWF in Washington in Zukunft nicht mehr bei Maßnahmen in der Eurozone gebraucht wird wie bisher.

Kern und Kurz auf Suche

Der Euro wird nach den Vorstellungen der Kommission der absolute Kern der EU-27 sein. Drum herum können sich "wie Satelliten" die übrigen Länder mehr oder weniger an gemeinschaftlicher Politik beteiligen oder nicht.

Dass Frankreich den Anspruch stellt, mit Deutschland das Zentrum der Union zu bilden, zeigt sich an der Einladung von Staatspräsident François Hollande an Merkel und die Premiers von Italien und Spanien zu einem Treffen im Schloss Versailles am 6. März. Einziges Thema: die Zukunft der EU-27 nach dem Brexit.

Bewegung gibt es auch in Österreich: Sowohl Bundeskanzler Christian Kern wie auch Außenminister Sebastian Kurz haben eigene Arbeitsgruppen dazu eingesetzt, wie eine EU-Reform aus österreichischer Sicht aussehen könnte. (Thomas Mayer aus Brüssel, 24.2.2017)