Ricky May-Wolsdorff spielt das Solo.

Foto: Art-for-Future-Theater

Wien – Im Jahr 2004 wurde "Humankapital" zum deutschen Unwort des Jahres gekürt. Die Wahl sorgte für eine Kontroverse zwischen Sprach- und Wirtschaftswissenschaftern. Ein Jahr darauf erfuhr das gleichnamige Stück von Stefan Nolte und Jörn J. Burmester in Stuttgart seine Uraufführung – eine Bearbeitung von Der Wert des Menschen des belgischen Autors und Psychiaters François Emmanuel. Der Roman, der die Personalevaluierung und Effizienzsteigerung von Großkonzernen mit Methoden des nationalsozialistischen Massenmordes in Verbindung setzt, löste bei seiner Erscheinung 2000 nicht weniger Diskussion unter den Kritikern aus.

Nun hat sich das in diesem Jahr neu eröffnete Art-for-Future-Theater unter der Leitung von Ricky May-Wolsdorff der Debatte angenommen und bringt Noltes und Burmesters Version als österreichische Erstaufführung ins Off-Theater.

Und es geht auch gleich los mit der Effizienzsteigerung: Firmenpsychologe Simon ist für die Beurteilung des Personals zuständig. In regelmäßigen Seminaren will er Motivation und Leistungsfähigkeit anheben. In diesem Setting finden sich gleich die Theaterbesucher in der Position der Arbeitnehmer wieder.

Vergangenheit und Schuld

Simon ist erfolgreich in seinem Job, bis der Konzernvorstand die Bewachung seines Chefs verlangt. Immer tiefer verstrickt sich der Psychologe in die private und berufliche nationalsozialistische Vergangenheit der Firmenleitung. Auch Simon selbst gerät in Verdacht und muss sich mit der eigenen Schuld auseinandersetzen.

In dem Ein-Personen-Stück trägt Ricky May-Wolsdorff allein als Erzähler Simon durch die Geschichte und schlüpft dabei auch in mehrere Rollen. Humankapital hat dabei mehr die Form einer szenischen Lesung denn einer theatralen Inszenierung. Ständige Wiederholung in Form von vorgetragenen Regieanweisungen und deren zusätzlicher Ausführung verlangen auch von den Zusehern hohe Konzentration. Peter Wolsdorff hat als Regisseur aber auf eine klare Figurenzeichnung geachtet, die der Geschichte gut folgen lässt.

Trotz der hohen schauspielerischen Leistung Ricky May-Wolsdorffs vergisst man die Darstellerin hinter den Figuren nicht. Die Gänge auf der Bühne wirken eher einstudiert als aus den Figuren selbst motiviert. Trotzdem: ein Stück, das zur Diskussion einlädt und in dem alles an Bedeutung gewinnt. Selbst das Designer-T-Shirt der Hauptdarstellerin, das die Frage aufwirft, ob das etwas mit dem Diktat der Marktwirtschaft zu tun hat. (Katharina Stöger, 26.2.2017)