Wien – Der Traum der Alchemisten scheint sich erfüllt zu haben: Aus unedlen Metallen kann man Gold machen. Zumindest, wenn man in der Schrottbranche tätig ist. Fünf Angeklagte, alle unbescholten, sollen sich durch die Manipulation einer Waage ein paar Nuggets abgezweigt haben. Vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer müssen sie sich daher wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs verantworten.

Mittels zusätzlichen Ballasts in Lkws und unter Einsatz eines Gabelstaplers sollen sie gelegentlich beim Wiegen des Altmetalls mehr Gewicht vorgetäuscht und beim Verkauf den Differenzbetrag eingesteckt haben.

Schaden bis zu 250.000 Euro

Bis zu 500 Kilogramm soll die Ware dadurch schwerer geworden sein, berichten zwei der Angeklagten. Im Einzelfall ist damit noch nicht das große Geld zu machen, ein Kilo Altmetall bringt 80 Cent bis einen Euro. Über die Jahre hat es sich aber geläppert: Der Schaden soll an die 250.000 Euro betragen.

So genau weiß man das aber nicht. Denn der Fall ist durchaus seltsam, wie auch Werner Tomanek, einer der Verteidiger, in seinem Eröffnungsplädoyer ausführt. "Fraglich ist der Schadensumfang und die Beteiligung der einzelnen Angeklagten", zitiert er aus der Anklage. "Das bedeutet in Wahrheit, dass man nichts Genaues weiß", kritisiert Tomanek.

Die Erstangeklagte, ehemals Chefsekretärin, gesteht zwar zu, eine doppelte Buchführung betrieben und das Schwarzgeld im Tresor verwahrt zu haben. Nur: Die Kuverts mit dem Bargeld und den Zetteln mit dem echten Gewicht habe ihr Chef einmal im Quartal abgeholt. Das ist die nächste Seltsamkeit: Der Inhaber der Firma ist nämlich nur als Zeuge geführt.

Mehrere Seltsamkeiten

Frau V. erzählt ihre Geschichte. Sie habe den Zweitangeklagten in einem Geschäft, ihrer damaligen Arbeitsstätte, kennengelernt. Er erzählte ihr von einem vakanten Sekretärinnenposten in seiner Firma, sie nahm das Jobangebot an.

2006 begann sie, nach einem halben Jahr fiel ihr und dem Zweitangeklagten auf, dass der damalige Betriebsleiter Rechnungen manipulierte. Sie meldeten das dem Eigentümer, der entließ den Betriebsleiter und zahlte den beiden je 7.000 Euro Bonus.

Später habe es allerdings einmal ein Sechsaugengespräch gegeben, in dem der Chef von schwarzen Kassen sprach und erklärte, wie die Wiegenmanipulationen funktionieren. Für eine Teilnahme an dem System habe er eine Gehaltserhöhung versprochen, die auch stattfand.

Angeklagter lebt auf 28 Quadratmetern

Auffällig ist auch, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die 45 bis 59 Jahre alten Angeklagten auf großem Fuß gelebt haben. Einzig der Zweitangeklagte soll einen teuren BMW und einen Schwimmwagen besessen haben. Ersterer sei ein Leasingauto gewesen, an Zweiterem habe er als Hobby selbst herumgebastelt. Außerdem wohne er in einer 28-Quadratmeter-Wohnung und habe nicht schlecht verdient, daher habe er sich die Gefährte leisten können.

Ein Wiegemeister, der seit 30 Jahren in der Firma arbeitet, sagt, er habe zwar gewusst, dass die Sache dubios sei. Seine Vorgesetzten hätten ihn aber dazu aufgefordert und gesagt, es sei gut für die Firma. Nur gelegentlich habe er 20 bis 50 Euro Trinkgeld dafür bekommen. Die übrigen zwei Angeklagten bekennen sich überhaupt nicht schuldig, sie hätten nur im Hof gearbeitet, aber mit der Gewichtskontrolle nichts zu tun gehabt. Das bestätigen auch die beiden Erstangeklagten.

Steuerprüfung als Auslöser

Aufgeflogen ist die Sache nach einer Steuerprüfung bei der Mutterfirma. Dabei wurden die Differenzen entdeckt – die Erstangeklagte vermutet daher, dass der Chef nun alles auf seine Untergebenen schiebt, um seinen eigenen Kopf zu retten.

Der Prozess wird am 2. März fortgesetzt. (Michael Möseneder, 27.2.2017)