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François Fillon steht wegen der Affäre um die angebliche Scheinbeschäftigung seiner Frau unter Druck.

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Neben Fillon hat auch Marine Le Pen mit der Justiz Probleme.

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Wie fühlt es sich an, wenn man haushoher Favorit ist – plötzlich aber nur noch Kandidat für die Strafjustiz? François Fillon zeigt jedenfalls Nerven. Am Montag warf der konservative Präsidentschaftskandidat der sozialistischen Regierung vor, "eine Situation des Quasi-Bürgerkriegs" in Frankreich tatenlos hinzunehmen. Gemeint waren – lokal begrenzte – Krawalle von Antifaschisten gegen einen Front-National-Auftritt.

Zuvor hatte das Magazin "Le Canard enchaîné" enthüllt, Expräsident Nicolas Sarkozy habe seinem Parteifreund Fillon geraten, täglich auf die Pauke zu hauen, um von der Affäre um den Scheinjob für seine Ehefrau abzulenken. Freunden habe Sarkozy erzählt, Fillon wirke "völlig aufgeschmissen". Der Republikaner sieht seine Felle nämlich mehr und mehr davonschwimmen. In einer aktuellen Umfrage liegt er mit gerade noch 20 Prozent deutlich hinter Marine Le Pen (27 Prozent) und Emmanuel Macron (25 Prozent). Abgeschlagen folgen mit 14 und zehn Prozent die zerstrittenen Linkskandidaten Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon, die sich am Sonntag nicht auf eine Einheitskandidatur einigen konnten. Die bisher so siegessicheren Bürgerlichen würden damit nicht einmal mehr in die Stichwahl vorstoßen. "Le Figaro" titelte am Montag verzweifelt: "Die Rechte im Alarmzustand".

Auch Le Pen in Nöten

Auch Le Pen hat im EU-Parlament eine Veruntreuungsaffäre am Hals. Die Ultranationalistin präsentiert sich wie früher als Opfer eines Justizkomplotts und weigert sich, einer Gerichtsvorladung Folge zu leisten. Allerdings ermittelt die Finanzjustiz nun auch gegen ihren Mitarbeiter Frédéric Chatillon, Exchef der rechtsextremen Studentenorganisation Gud. Diese diversen Affäre könnten Le Pen langfristig durchaus schaden, nachdem sie bisher die Politiker aller übrigen Parteien als "allesamt korrupt" bezeichnet hatte.

Dass zwei Spitzenkandidaten mit Justizaffären in den Wahlkampf gehen, ist ein Novum für den französischen Wahlkampf. Was, wenn sie verlieren, danach aber von jedem Verdacht freigesprochen werden? Egal, wie hypothetisch dieser Fall auch sein mag, egal auch, dass die Finanzstaatsanwaltschaft bisher sehr sauber agierte: In den Internetforen fragen viele, ob die drei Untersuchungsrichter, die am Freitag in der Causa Fillon ernannt wurden, de facto den Urnengang entscheiden werden. Und zwar bei einer Wahl, die nicht nur über die Zukunft Frankreichs befinden wird, sondern – wenn Le Pen das Rennen machen sollte – ganz Europa betreffen würde.

Die Frage sorgt über Fillons Wahlkampfzentrale hinaus für Hochspannung. Politologen spielen alle möglichen Szenarien durch, angefangen von der "freiwilligen" Suspendierung der Ermittlungen durch die Magistraten selbst. Justizminister Jean-Jacques Urvoas schließt diese Möglichkeit aber aus.

"Verhinderter" Kandidat

Da die Mühlen der Justiz langsam mahlen, bliebe nur die Verschiebung der Wahlen. Darüber wird zwar (noch) nicht in den Medien, wohl aber in den Wahlkampfbüros eifrigst beraten; vor allem seit Verfassungsrichter Dominique Rousseau via Twitter an die französische Verfassung erinnerte: Artikel 7 räumt die Möglichkeit ein, einen neuen Wahltermin anzusetzen, wenn ein Kandidat stirbt oder "verhindert" ist.

Einige Juristen meinen, damit seien nur Krankheit oder Unfall gemeint. Von einer solchen Einschränkung steht aber nichts dezidiert in der Verfassung. Rechtsexperte Pascal Jan meint, dass man Fillon als "verhindert" betrachten könnte, wenn die Ermittlungen seine Wahlkampagne objektiv unmöglich machen würden. Der hartnäckige Republikaner will, wie er unlängst erklärte, auf jeden Fall "bis zum Sieg" weitermachen. Ab dem 10. März könnte indessen ein Kollektiv von 60 Abgeordneten oder der Verfassungsrat selbst den Artikel 7 zur Anwendung bringen. Beharrt Fillon weiterhin auf seinem Kandidaturrecht, während seine Umfragewerte weiterhin sinken, könnte dieser Extremfall durchaus eintreten. Denn bis zum Mai wird diese gespannte Lage wohl kaum Bestand haben. (Stefan Brändle aus Paris, 27.2.2017)