"Als Diät ist Fasten viel zu schade und macht auch keinen Sinn", sagt Elisabeth Rabeder.

Foto: Hermann Erber

Auf feste Nahrung verzichten: Fasten verändert eingefahrene Muster. Im besten Fall entsteht in einer Fastenwoche eine nachhaltige Lebensstiländerung.

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STANDARD: Zu viel Essen, zu viel Alkohol: Das macht vielen Menschen ein schlechtes Gefühl, und dann fasten sie einmal im Jahr. Macht das Sinn?

Rabeder: Mit wenig Essen auszukommen ist Teil der Menschheitsgeschichte, denn es gab immer Phasen, in denen einfach nicht genug Nahrungsmittel vorhanden waren. Februar und März waren die schwierigen Monate: Die Vorräte sind aufgebraucht, und in der Natur wächst noch nichts. Der menschliche Körper ist also darauf eingestellt. Damals bedeutete Fasten allerdings Hungern, heute ist das nicht mehr so.

STANDARD: Sondern?

Rabeder: Fasten ist in unserer Gesellschaft ein freiwilliger Verzicht und hat damit nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige und seelische Komponente. Viele Menschen stehen mit ihrem Leben ja ganz schön auf Kriegsfuß. Eine Fastenkur gibt einem die Chance auf Veränderung.

STANDARD: Weil Abnehmen so einen starken Effekt hat?

Rabeder: Als Diät ist Fasten viel zu schade und macht auch keinen Sinn. Wer ständig abnimmt und dann wieder zunimmt, etabliert den Jojo-Effekt in seinem Körper. Nach einer Gewichtsabnahme nimmt man dann nur schneller wieder zu. Fasten sollte vielmehr so etwas wie die Initialzündung zu einer Lebensstiländerung sein.

STANDARD: Theoretisch reicht der Entschluss, um auf Nahrung zu verzichten. Warum eine Fastenkur – als Urlaub sozusagen?

Rabeder: Theoretisch ginge Fasten im Alltag schon. Nur oft ist es ja gerade der Alltag, der einen fest im Griff hat und Gedanken wie "Was tut mir gut und was nicht" gar nicht aufkommen lässt. Wer sich für eine begleitete Fastenkur entscheidet, hat die Chance, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Zudem gibt es ganz unterschiedliche Fastentypen, die es erst einmal herauszufinden gilt.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Rabeder: Nicht jeder hat die gleiche Kur. Am Beginn des Fastens geht es in der Traditionellen Europäischen Medizin, für die wir stehen, erst einmal darum herauszufinden, welcher Typ ein Mensch ist. Wir unterscheiden zwischen Sanguinikern, Melancholikern, Cholerikern und Phlegmatikern. Wir erkundigen uns nach der Lebensweise eines Fastengastes und schneidern dann für jeden einen maßgeschneiderten Ernährungsplan. Es ist personalisiertes Fasten sozusagen.

STANDARD: Wie genau geht das? Der eine isst mehr Obst, der andere mehr Getreide?

Rabeder: Zum Beispiel. Es geht aber darum, Gewohnheiten zu verändern. Es wäre eine gute Idee, wenn ein Zucker-Junkie auf Süßes verzichtet. Aber es muss dabei nicht unbedingt ums Essen gehen. Derzeit entscheiden sich viele für den Verzicht auf ihre digitalen Geräte, also auf Handy und Computer. Offenbar wird die ständige Erreichbarkeit auch als Entfremdung erlebt.

STANDARD: Wie unterscheidet sich TEM-Fasten von anderen Fastenkuren?

Rabeder: Wie gesagt, in der Einteilung nach den verschiedenen Persönlichkeitstypen. Zudem verstehen wir den Verzicht auch als geistig-seelischen Prozess, als eine Art Reinigung. Mit unseren Gästen passiert wirklich etwas, das erlebe ich immer wieder. Nach einer Fastenkur fühlen sich die meisten Menschen wirklich gut und kehren mit viel Energie und Plänen in ihren Alltag zurück. Verzicht aktiviert die Sinne.

STANDARD: Wie der Erholungseffekt nach einem Urlaub?

Rabeder: Nein, anders. Der Verzicht auf Nahrung ist ja nur ein Teil. Daneben gibt es viele körperliche Anwendungen. Heuwickel, Wassertreten, Bewegung in der Natur, 3 Liter trinken am Tag, Muße: Das alles ist sozusagen Zeit für sich selbst, die viele in einem normalen Urlaub nicht haben. Die Beschäftigung mit sich selbst und seinen Sinnen verschafft Klarheit.

STANDARD: Gibt es auch "härtere" Maßnahmen?

Rabeder: Es kommt immer auf den Menschen an. Wir empfehlen auch typgerechte Darmreinigung – etwa mit Glaubersalz, aber auch mit Einläufen, das sind altbewährte Methoden, um Giftstoffe auszuleiten. Sie können, müssen aber nicht sein.

STANDARD: Welche Rolle spielt die Gruppe bei einer Fastenkur?

Rabeder: Verzicht in der Gruppe ist leichter als alleine. Sie kann eine Versicherung, aber auch eine Ermunterung sein – vor allem das Gefühl, nicht alleine einen Prozess durchstehen zu müssen, ist eine Hilfe.

STANDARD: Wann ist eine Fastenkur erfolgreich?

Rabeder: Wenn man das Gefühl hat, dass das ganze Körpersystem einen Neustart macht – so wie ein Reset beim Computer. (Karin Pollack, 1.3.2017)