Janek von Byern beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Klebstoffforschung und untersucht derzeit die Klebstoffsekrete von nordamerikanischen Salamandern (im Bild), neuseeländischen Insekten, die in Höhlen leben oder der heimischen Weinbergschnecke.

Foto: Janek von Byern

Wien – Wenn Ärzte eine Platzwunde verschließen und Gelenksprothesen an Knochen befestigen, verwenden sie dazu oft Klebstoff. Die gängigen Substanzen sind aber gesundheitsschädlich, kritisiert der Bioklebstoff-Experte Janek von Byern. In einem EU-weiten Projekt wollen nun Forscher von Pflanzen und Tieren abgekupferte, ungiftige Alternativen entwickeln.

Ärzte verwenden – aus Mangel an Alternativen – Klebstoffe mit der gleichen chemischen Zusammenstellung wie etwa Superkleber, sagt von Byern, der am Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie in Wien arbeitet. Auch Formaldehyd, das aus Holzklebern verbannt wurde, weil es giftig und krebserregend ist, sei in medizinischen und kosmetischen Klebstoffen oft in hohen Konzentrationen enthalten.

Aus Blutplasma gewonnener Klebstoff

Auf der Suche nach Bioklebstoffen zeichnen sich bereits erste Erfolge ab. So könnte ein zementartiger Bioklebstoff von Zecken möglicherweise in Zukunft Sehnen und Bänder an Knochen verankern, und der Salamanderklebstoff oberflächliche Hautwunden schließen. Klebstoffe von Meeresorganismen wie Muscheln haben hingegen für feuchte Umgebungen Potenzial, wie bei inneren Organen, so der Forscher.

Bereits seit den 1970er-Jahren wird ein in Wien entwickelte System mit dem Bioklebstoff "Fibrin" weltweit bei Operationen verwendet. Es handelt sich dabei um einen natürlichen Bestandteil des menschlichen Blutes, der bei Verletzungen zum Wundverschluss führt. Fibrin wird aus Blutplasma gewonnen und dient bei Magen- und Darmoperationen als Klebstoff sowie zur Blutstillung bei Herzoperationen. Die biologische, körpereigene Substanz wird vom Körper nach einiger Zeit abgebaut, sobald das Gewebe geheilt ist.

Die Kraft der Glühwürmchen

Auch die Holzindustrie benötigt dringend einen biologisch abbaubaren Klebstoff, zum Beispiel um Wellpappe zusammenzukleistern, erklärte von Byern. Beim Recyceln würden nämlich Superkleber- oder andere im Haushalt gebräuchliche Klebstoffe die Maschinen verkleben. Derzeit verwendet man dort Leim aus Kartoffelstärke, doch dessen Herstellung sei energetisch sehr aufwendig. Erste Versuche mit Salamanderklebstoff zeigten, dass dessen Haftkraft ausreichend ist, doch man sei noch weit davon entfernt, ihn in kommerziellen Mengen zu produzieren, erläutert der Forscher.

So interessant es sei, dass keiner der bisher analysierten Bioklebstoffe den andern ähnelt, so schwierig sei es oft, ihre Zusammensetzung aus verschiedensten Eiweißstoffen, Zuckern, Fettstoffen und anderen Biomolekülen herauszufinden. Dies mache es auch für viele Bereiche zu teuer, sie nachzubauen, erklärt der Experte.

Es gibt aber auch simple Naturkleister, wie etwa jener von Glühwürmchen aus neuseeländischen Höhlen, den von Byern mit Kollegen untersucht hat. Er besteht bloß aus Harnstoff (Urea) und einem Eiweißstoff, wäre wohl günstig herzustellen und für die Holzindustrie interessant, die seit dem Verbot von Formaldehyd auf der Suche nach guten Alternativen ist.

Konferenz im Naturhistorischen Museum Wien

Von Byern koordiniert das Europäische Netzwerk für Bioadhäsion (ENBA), wo er mit Kollegen erforscht, wie die Klebstoffe von biologischen Organismen aufgebaut sind: etwa bei fleischfressenden Pflanzen und Glühwürmchen, die damit Insekten fangen, bei Salamandern, die Fressfeinden das Maul in Sekundenschnelle verkleben, und Schnecken, die sich damit an Laternenmasten und Hauswänden halten. Die Wissenschafter treffen einander am 6. und 7. März zu einer Konferenz im Naturhistorischen Museum Wien und präsentieren ihre Forschung auch interessierten Besuchern.

Der Publikumsevent findet am 6. März im Museumsfoyer von 9.30 bis 15.00 Uhr statt. Besuchern werden dabei diverse "klebende" Tiere und Pflanzen präsentiert, zum Beispiel eine Salamanderart namens "Marmor-Querzahnmolch", Orchideen, Weinbergschnecken aus Wiener Zucht und fleischfressende Pflanzen.

Neben den biologischen Aspekten führen die Wissenschafter auch medizinische, technische und kosmetische Anwendungen vor, etwa "Gecko-Tape" oder selbstheilende Gele, und erklären die Gefahr kommerzieller Klebstoffprodukte in der Medizin, Kosmetik und im Haushalt. (red, APA, 28.2.2017)