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Proteste gegen die Verhaftung von Deniz Yücel.

Foto: Reuters, AXEL SCHMIDT

Der Spruch des Istanbuler Haftrichters über den deutsch-türkischen Korrespondenten Deniz Yücel wirkt wie ein Paukenschlag: statt Entlassung nach 13 Tagen in Polizeigewahrsam Untersuchungshaft. Für die türkischen Gefängniswärter wird er nun Journalist Nummer X unter all den vielen anderen inhaftierten Medienmenschen sein. Die Zahl 150 ist längst überschritten. Fünf Jahre kann die Untersuchungshaft dauern.

Deniz Yücels angebliches Vergehen: Terrorpropaganda und Aufwiegelung der Bevölkerung. Das Übliche also, wenn es seit dem niedergeschlagenen Putsch Mitte Juli vergangenen Jahres darum geht, sich "lästiger" Journalisten zu entledigen. Deniz Yücel ist Korrespondent der deutschen Tageszeitung "Die Welt". Er schreibt natürlich auf Deutsch. Seine Leserschaft ist die sogenannte Mittelschicht plus weiter oben in der bundesdeutschen Gesellschaft.

Deutscher und türkischer Staatsbürger

Deniz Yücel war nicht als Auslandskorrespondent akkreditiert. Da er nicht nur deutscher, sondern auch türkischer Staatsbürger ist, war das auch nicht notwendig für seine journalistische Tätigkeit. Dieser scheinbare Vorteil gerät ihm nun zum Nachteil. Für die türkischen Behörden ist er primär Türke, für den ausschließlich türkisches Recht gilt und sonst nichts. Allfällige Doppelstaatsbürgerschaften spielen dabei keine Rolle.

Wir erinnern uns an den Fall Füsün Erdogan. Auch sie hat zwei Staatsbürgerschaften: die niederländische und die türkische. Alle Interventionen der niederländischen Vertretungen in der Türkei waren vergeblich. Auch für sie galt nur das türkische Recht. Auch ihr wurde aus heiterem Himmel terroristische Agitation vorgeworfen. Das war im Jahr 2006.

Erst sieben Jahre später wurde sie rechtskräftig zu einer lebenslangen Haftstrafe und zusätzlich 789 Gefängnisjahren sowie einer extrem hohen Geldstrafe verurteilt. Ein Jahr später kam sie dennoch frei. Im Herbst des Jahres 2014 war ein Gesetz erlassen worden, wonach in der Türkei die Untersuchungshaft nicht länger als fünf Jahre dauern darf. Aufgrund dieser neuen Rechtsprechung musste sie freigelassen werden. Ihre Untersuchungshaft hatte sieben Jahre gedauert. Sieben Jahre hatte sie ohne Urteilsspruch in einem türkischen Gefängnis verbracht.

Ins Visier der türkischen Justiz hatte sich Yücel durch die Berichterstattung über gehackte E-Mails des Schwiegersohns von Präsident Erdogan, Energieminister Berat Albayrak, gebracht. Die E-Mails hatten vermuten lassen können, dass Political Correctness in Sachen Informationspolitik des Ministers nicht immer maßgeblich war. So weit, so nicht gut.

Neue Regelung

Man fragt sich, warum Yücel Istanbul nicht rechtzeitig verlassen oder die deutschen Vertretungen um Hilfe gebeten hat, als er schon auf der schwarzen Liste stand, aber noch auf freiem Fuß war. Er hätte allenfalls ins deutsche Exil gehen können. Dann aber hätte auch bei ihm eine Regelung greifen können, die in der Türkei vor kurzem ausgearbeitet wurde: Wer ins Exil geht, also die Türkei verlässt, um in absehbarer Zeit nicht mehr zurückzukehren, verliert künftig alles, was ihn mit diesem Land verbindet. Nicht nur die türkische Staatsbürgerschaft, sondern auch seinen gesamten Besitz in der Türkei. Allfälliges Vermögen jedweder Größe wird konfisziert. In Journalistenkreisen wird diese Bestimmung "Can-Dündar-Gesetz" genannt.

Doch nicht nur Journalisten sind bekanntlich im Visier des türkischen Präsidenten. Am Samstag postete ein Leser meines Blogs "Türkische Früchte":

"Der Akademiker Dr. Mehmet Fatih Tiras, der die Friedensinitiative zum Stopp mit der PKK unterzeichnet hat und anschließend durch Erdogans Dekret von der Universität entlassen worden ist, hat S e l b s t m o r d begangen. ... Viele entlassene Akademiker wollen das Land verlassen, aber können nicht, weil man den Pass annulliert. Steht einmal dein Name auf diesem Notstandsdekret, findest du keinen Job."

Dem ist nichts hinzuzufügen. (Rubina Möhring, 28.2.2017)