Bei der diesjährigen Weltcup Abfahrt der Damen in Garmisch-Partenkirchen stürzte die österreichische Skirennläuferin Tamara Tippler. Die Bindung öffnete sich – das passiert bei Frauen seltener, sagt Sportwissenschafter Markus Posch.

Foto: APA/dpa/Tobias Hase

Innsbruck – Eine Skibindung muss sich bei einem Sturz öffnen, um den Ski freizugeben. Dadurch sollen Verletzungen vermieden werden. Das passiert bei Frauen seltener als bei Männern – und führt dadurch häufiger zu Knieverletzungen, sagt der Tiroler Sportwissenschafter Markus Posch, der zu diesem Thema eine Dissertation schreibt.

Knieverletzungen kommen im Skisport häufig vor. Im alpinen Skilauf würden jedoch Frauen doppelt so häufig derartige Verletzungen erleiden wie Männer, sagt Posch. Durch Befragungen wisse man, dass das mit den Skibindungen zusammenhänge. "80 Prozent der befragten Frauen mit einer Knieverletzung gaben an, dass sich ihre Bindung zum Zeitpunkt des Sturzes nicht gelöst hat, bei den Männern sind es nur rund 60 Prozent", so der Sportwissenschafter.

Warum Bindungen bei Frauen weniger häufig auslösen als bei Männern, liege möglicherweise neben vielen geschlechtsspezifischen Unterschieden an zu hoch eingestellten Auslösemomenten der Skibindungen. Fachhändler stellten Bindungen nach einer ISO-Norm individuell für den jeweiligen Skifahrer ein. Dabei spiele neben dem selbsteingeschätzten Skikönnen vor allem Größe und Gewicht des Skifahrers sowie die Länge der Skischuhsohle eine Rolle. Das Geschlecht werde bei diesen Einstellungen allerdings nicht berücksichtigt. "Fakt ist, dass entsprechend der ISO-Norm eine Frau und ein Mann mit vergleichbarem Skikönnen, Alter, Größe und Gewicht dieselben Bindungseinstellungen erhalten", wie Posch erläutert.

Sensiblere Bindungen

In seinem vom Tiroler Wissenschaftsfonds (TWF) geförderten Dissertationsprojekt untersucht Posch diese Unterschiede nun genauer: "Wir sehen uns das im Labor mit unverletzten Versuchspersonen an. Auf einer Kraftmessplatte werden Ski mit der individuell nach ISO-Norm eingestellten Bindung montiert und Versuchspersonen, in diesem Fall Frauen, müssen mit ihren Skiern versuchen, ihre Bindung am Vorderbaken selbst auszulösen, indem sie ihr Bein nach innen drehen."

Dadurch erhalte der Forscher Daten darüber, wie häufig die Versuchsperson in der Lage ist, die Bindung selbst auszulösen. Zudem sehe er auch, wie nah am Auslösen eine Bindung war, die geschlossen bleibt. "Wir haben die Versuche auch mit Männern durchgeführt und selbst da zeigt sich, dass bei Bindungen, die nicht auslösen, Männer deutlich näher am Grenzwert waren als Frauen", so Posch. Dies sei im Ernstfall aber entscheidend.

Posch gehe unter kontrollierten Labor-Bedingungen unter anderem der Frage nach, welche Auswirkungen etwa eine um 15 Prozent sensibler eingestellte Skibindung bei weiblichen Probanden hätte. "Dass eine geringfügig leichter eingestellte Bindung zu mehr Fehl-Auslösungen führt, wie manche befürchten, glauben wir nicht", so Posch. Die von den Versuchspersonen beim Selbstauslösetest auf der Kraftmessplatte erzielten Werte vergleiche der Forscher mit denen des Bindungseinstellungsgeräts der Sportfachhändler. Sollte sich herausstellen, dass Frauen in der Lage sind, eine um 15 Prozent reduzierte Bindung häufiger selbst auszulösen, ohne neue Probleme zu verursachen, könne dieses Ergebnis sofort in der Praxis umgesetzt werden und damit möglicherweise Verletzungen verhindern. (APA, 28.2.2017)