Sie gilt als das "Herz" jeder mechanischen Uhr: Die Unruhspirale. Sie entscheidet, wie regelmäßig die Unruh schwingt. Deutlich dünner als ein menschliches Haar ist sie mit dem Unruhreifen verbunden, zieht sich zusammen und dehnt sich wieder aus und schwingt so um ihre Gleichgewichtslage. Die Gleichmäßigkeit dieser Schwingung, auch Frequenz genannt, gewährleistet schließlich die Ganggenauigkeit der Uhr.
Die Unruhspirale ist ein Schwerarbeiter. Sie führt mehrere hundert Millionen Schwingungen aus, ist daher verschleißanfällig und empfindlich gegenüber Temperatur und Magnetismus. Trotz dieser verschiedenen äußeren Einwirkungen wie Erschütterungen, Magnetfeldern, Luftdruck-und Temperaturschwankungen sollen die Schwingungen von Unruh und Unruhspirale möglichst gleich, also isochron ablaufen.
Im Laufe der Jahrzehnte haben sich zahlreiche Ingenieure damit beschäftigt, die Spirale zu verbessern und widerstandsfähiger zu machen. Meist ging es darum, das Material der Spirale zu optimieren. Bekannt ist vor allem die Legierung "Nivarox" ("nicht variabel, nicht oxidierend"), die 1931 entwickelt wurde und die Ganggenauigkeit der Zeitmesser enorm steigerte. Wie genau sich das Material zusammensetzt, ist heute nur der zur Swatch Group gehörenden Nivarox-FAR bekannt. Sie ist mit Abstand der wichtigste Produzent von Unruhspiralen: 90 bis 95 Prozent der Schweizer Uhrenindustrie ist mehr oder weniger stark von dem Unternehmen abhängig, schätzt der Uhrenexperte Gisbert Brunner.
Patek stürmte voran
Natürlich stellen einige Marken ihre eigenen Spiralen her, darunter Rolex. Der Uhrenprimus aus Genf war auch maßgeblich bei der Entwicklung einer revolutionären Neuheit beteiligt: Der Herstellung von Unruhspiralen aus Silizium. Das geheimnisvolle Verfahren ist ein Resultat aus dem Forschungsprojekt, das Patek Philippe mit der Swatch Group, Rolex und dem Centre suisse d'électronique et de microtechnique (CSEM) in Neuenburg unternommen hat. Patek stürmte 2006 voran und präsentierte damals die erste funktionierende Uhr mit einer Spiralfeder aus monokristallinem Silizium.
Während bei Patek Philippe immer nur limitierte und teure Jahreskalender in den Genuss der neuen Technik kamen, setzt die Swatch Group mittlerweile bei allen neuen Co-Axial-Kalibern von Omega flächendeckend auf die Siliziumspiralfeder. Damit einher geht seit 2016 das neue Chronometerzertifikat, das von dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) verliehen wird.
Höchste Ansprüche
Was ist das besondere an Silizium? Als Element der Kohlenstoffgruppe ist das Material fest und dennoch biegsam, leicht, rostfrei, höchst langlebig, nicht magnetisch und beständig gegenüber Temperaturschwankungen, welche einen starken Einfluss auf die Ganggenauigkeit haben. Somit ist es das ideale Material für die Unruhspirale, da es Stabilität, Beständigkeit und Langlebigkeit für eine akkurate Zeitmessung bietet.
Die Produktion ist allerdings nicht billig: Bei der Herstellung wird zuerst im Kristallzuchtverfahren ein großer Barren erzeugt, aus dem dann Scheiben, die sogenannten Wafer, geschnitten werden, die auch in der Chipherstellung für Computer Verwendung finden. Daraus entstehen im sogenannten Tiefätzverfahren beliebige Formen mit sehr präzisen und glatten Flächen. Bisher war die Silizium-Technologie dementsprechend Uhren des Hochpreissegements vorbehalten.
Mit der "Tissot Ballade Automatic" gelingt es Tissot nun, mit tatkräftiger Unterstützung des Mutterkonzerns Swatch Group, diese Innovation in eine Uhr aus dem Einsteigerbereich unter 1.000 Euro zu bringen. Eingebunden ist sie in das Vorzeigeuhrwerk der Marke, dem Powermatic 80, einem Automatikwerk mit 80 Stunden Gangreserve und Chronometer-Zertifizierung. Mithalten kann da nur die Schwestermarke Mido, die vergangenes Jahr mit der "Baroncelli Caliber 80 Chronometer Si" ein ähnliches Produkt lancierte – allerdings für knapp über 1.000 Euro. (max, 5.3.2017)