1,4 Millionen Menschen in Chile sind auf mobile Trinkwasserversorgung angewiesen.

Foto: APA / AFP/ Martin Bernetti

Puebla / Santiago de Chile – Noch vor zwei Wochen lagen dicke Wolken aus Staub und Rauch über den ländlichen Regionen in Zentralchile. Die schwersten Feuersbrünste der Geschichte hatten über 590.000 Hektar Wald zerstört. Nun verwüsten heftige Regenfälle das Land. Innerhalb von zwölf Stunden fielen enorme Wassermassen am westlichen Abhang der Anden-Kordillere. Flüsse traten über die Ufer, Brücken stürzten ein, Hänge rutschten ab, der Straßenverkehr brach zusammen.

In der Hauptstadtregion musste aufgrund der Verschlammung die Trinkwasserversorung unterbrochen werden. Davon betroffen waren dem Katastrophenschutz Onemi zufolge 1,4 Millionen Menschen. Die Versorgung erfolgt über Zisternen und Tankwagen. Der für Montag geplante Schulbeginn wurde verschoben, Präsidentin Michelle Bachelet versprach Hilfe. Drei Menschen kamen laut Onemi bei den Regenfällen ums Leben, 19 wurden vermisst. Unter den Todesopfern war ein zwölfjähriges Mädchen, das zusammen mit seinen Eltern im Auto unterwegs war, als eine Mure das Fahrzeug unter sich begrub.

Wissenschaftler machten den Klimawandel für die extremen Wetterphänomene verantwortlich. Regenfälle um diese Jahreszeit seien nicht ungewöhnlich, wohl aber in dieser Intensität und Häufigkeit, sagte Patricio Sarricolea, Geograf der Universität von Chile. "Wir müssen künftig mit mehr solchen Katastrophen rechnen und uns darauf besser vorbereiten", forderte er.

Frühwarnsystem versagt

Das Frühwarnungssystem habe versagt, sagte Katastrophenexperte Michel De L’Herbe. "Die Wetterlage war bekannt. Die Behörden hätten sofort vor Ausflügen in den Cajón de Maipo warnen und die Bevölkerung darauf vorbereiten müssen." De L’Herbe fordert Bauverbote in Flussnähe und in erdrutschgefährdeten Gebieten.

Politik und Wirtschaft standen auch schon bei den Bränden am Pranger, die Ende Jänner mehrere Wochen in Zentralchile wüteten und elf Menschen das Leben kosteten. Betroffen waren vor allem für den Export bestimmte Eukalyptus- und Kiefernplantagen, die den Rohstoff für Papierfabriken und Spanplatten liefern. Umweltschützer warnen seit langem vor den Monokulturen, die den Boden auslaugten.

Früher, als in der Region noch Weizen und Mais angebaut wurde, habe es nie Brände gegeben, sagte Francisco Castro, Bürgermeister des Ortes Pumanque, wo die Brände begannen. Viele Dörfer in der Region sind geradezu umzingelt von Monokulturen, die im Besitz reicher Unternehmerdynastien sind und vom Staat subventioniert werden. Eines der Dörfer, Santa Olga, brannte komplett nieder, die 5000 Bewohner konnten sich retten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Fast 600.000 Hektar Wald wurden ein Raub der Flammen.
Foto: AP/Sebastian Martinez

Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) war sein Schwiegersohn Julio Ponce für die Forstbehörde zuständig, er gewährte per Dekret großzügige Subventionen, um in "erosionsgefährdete Gegenden aufzuforsten". 20 Prozent der Wälder verwandelten sich in Forst-Monokulturen. Die Gruppen Matte und Angelini kontrollieren 75 Prozent der Zelluloseexporte und kassierten in den vergangenen 40 Jahren 600 Millionen US-Dollar Subvention.

43 Personen festgenommen

Unklar ist, wie es zu den Bränden kam. Die Polizei nahm 43 Menschen unter Verdacht auf Brandstiftung fest. Der Vorwurf des Versicherungsbetruges steht im Raum, denn viele Plantagen waren von der blauen Fichtenholzwespe befallen, das Holz dadurch wertlos. Die Brände hätten nicht nur Schädlinge vernichtet, sondern auch Versicherungsgeldregen gebracht, heißt es. Die Forstwirtschaft weist Vorwürfe zurück. Nur drei Prozent der von der Feuersbrunst betroffenen Flächen seien versichert gewesen, erklärte der Vorsitzende der Holzwirtschaftskammer, Fernando Raga. (Sandra Weiss, 2.3.2017)